Die Mythologie besitzt ihre eigene Geschichtsschreibung. So
wie sich die historische Geschichte auf Relikte, Denkmäler und historische
Zeugnisse aus der Vergangenheit berufen kann, so beruft sich der Mythos auf die
mythischen Erzählungen, die Sage und vorgeschichtliche Überlieferungen. Es
wundert uns manchmal wie einfach der Mythos zu verstehen sein kann, das hängt
einfach damit zusammen dass der Mythos, in unserem Unbewussten aufgezeichnet
ist. Die Geschichte des Mythos ist in uns regelrecht „Ge – schichtet“. Es ist
eine Art geistiges archaisches Erbgut das in uns sein eigenes geheimnisvolles
Leben führt und durch irgendwelche Ereignisse die von außen an uns herantreten,
plötzlich wieder zu neuem Leben erwacht.
Denn: „Der Mythos ist der geheime Zufluss, durch den die
unerschöpflichen Energien des Kosmos, in die Erscheinungen der menschlichen
Kultur einströmen“, so Joseph Campbell.
Wenn der Mythos sich bei uns meldet und das tut er immer
wieder einmal, da sollten wir ihn keinesfalls verdrängen. Wir sollten ihn
aufnehmen, in uns integrieren und zuhören was er uns zu sagen hat. Denn der
Mythos will uns Geschichten erzählen. Er verlangt unser Ganzes, unser „wildes
Denken“.
Das „Ganze“ zu erkennen bedeutet die Erfahrung zu machen das
wir nicht nur einen Intellekt haben um die Wirklichkeit zu erfassen, sondern
das in uns und außerhalb von uns noch weitere Bewusstseinsebenen existieren und
wir sollten bereit sein uns mit ihnen auseinander zu setzen. Denn Mythos und
Denken haben viele Gemeinsamkeiten, wir wollen es nur nicht wahrhaben. Mit
einer bemerkenswerten Klarheit hat Claude Levy – Strauss diesen Standpunkt
beschrieben: „…trotz der von der jüdisch – christlichen Tradition zu ihrer Bemäntelung verspritzten Tinte
scheint keine Situation tragischer, verletzender für Herz und Geist als die
einer Menschheit, die mit anderen, auf ein und derselben Erde lebenden Gattungen
koexistiert, in deren Genuss sie sich teilen, und mit denen sie nicht
kommunizieren kann. Man begreift, dass die Mythen es ablehnen, diesen Makel der
Schöpfung für angestammt zu halten; dass sie in seinem Auftreten vielmehr das
Ur- Ereignis der Entstehung eines „Wesens“ des Menschen und seiner
Hinfälligkeit erblicken“.