Montag, 8. Oktober 2012

Pilzmythologie Teil 1



Wenn die Pilze aus dem Waldboden "schießen", ist zumeist Spätsommer oder Herbst. Viele Pilze gedeihen auch das ganze Jahr über, manche sogar im Winter unter Schnee und Eisdecke. Für Pilzsammler scheint es so als ob Pilze dann am besten gedeihen, wenn die Waldbäume zu ruhen beginnen. Eng ist die Verbindung zwischen Baum und Pilz und die Botaniker nennen solche Beziehungen Symbiose. Die Schwammflocke der Pilze verwächst mit dem Wurzelgeflecht eines Baumes. In dieser Beziehung bietet der Baum dem Pilz die benötigten Nährstoffe. Die beiden betreiben sozusagen eine Versorgungsgemeinschaft. Die mit dem bloßen Auge nicht erkennbaren Pilzfäden lassen ein regelrechtes Geflecht um die Saugwurzeln der Bäume entstehen. Beim Steinpilz messen diese Wurzelfäden ungefähr 100 Kilometer. Der Pilz vermag die meist mineralischen Stoffe pflanzlichen und tierischen Ursprungs leichter aufzuschließen und tritt sie als Mineralsalze, Stickstoff und Phosphor an die Baumwurzeln ab. Der Baum wiederum gibt seinem Partner vor allem Kohlehydrate ab. Diese kann er dann am besten entbehren, wenn das Sprossenwachstum beendet ist. So wird auch klar, warum zum Ende einer Vegetationsperiode der Bäume, die Saison der Pilze beginnt.

Ein Knollenblätterpilz geht nur mit Eichen und Buchen eine "Ehe" ein. Der Fliegenpilz liebt die Birke unter ihnen finden wir ihn am häufigsten, er mag aber auch Fichten und Tannen. Der zimtfarbige Milchpilz hält es nur mit den Eichen. Solch symbiotisch lebende Pilze können genau so alt wie ein lebender Baum werden! Ein biblisches Alter also wenn man bedenkt wie alt vor allem Eichen werden können. Der Pilz ist somit ein unverzichtbares Bindeglied im ökologischen Kreislauf und weil dem so ist, geben sie uns einen guten Zustandsbericht von dem Milieu in dem sie leben.

Jeder weiß Heute, dass durch zunehmende Luftbelastung und Übersäuerung unsere Wälder in einem schlechten Zustand sind. Somit auch viele Pilze, namentlich die Sorten, die in Symbiose mit Bäumen leben, einige davon sind stark im Zurückgehen, was ein eindeutiges Zeichen dafür ist, dass unser Wald an Vitalität eingebüßt hat. Der Pilz ist daher ein ausgezeichneter Gradmesser für die Gesundheit seines Umfeldes.

In den 50zigern Jahren gab es in Mitteleuropa ein drastisches Ulmensterben, Auslöser dafür war eine Pilzkrankheit. Wenn der Pilz der Wirtspflanze, auf der er wächst, keinen Vorteil bietet, spricht man von einem Parasiten–Verhalten: Der Pilz stiehlt sich dann Nahrung von seinem Wirt. Dieser kann darunter letztendlich so leiden, dass er abstirbt.
Der Honigpilz, Birkenpilz und Kiefernmörder sind hierfür bekannte Vorbilder, ebenso der bekannte Hallimasch, bei ihm ist das Verhältnis zu seinem Wirtsbaum, das zwischen Räuber und Ausgeraubten.


Doch nicht nur Bäume, auch unsere heimischen Orchideen und verschiedene Flechtarten und Moose sind auf Pilze angewiesen. Als Einzelkämpfer könnten sie überhaupt nicht überleben, nur in der Partnerschaft mit Pilzen haben sie eine Zukunft.

Auch viele Insekten die in Bäumen leben sind auf Pilze angewiesen, so die Larven der Riesenholzwespe. Doch vor allem die Borkenkäfer. In ihrer regelrechten "Vernichtungswut" bedienen sie sich der Arbeit von Pilzen, die der Mutterkäfer in seinem Magen mitbringt und in den Gängen auslegt. Die Pilze treiben Fäden in das Holz und beginnen es zu zersetzen. Die weißen Larven der Käfer leben von den nährstoffreichen Enden der Pilze. Die Larven sind also bestens versorgt, zumal der Mutterkäfer die Exkremente der Jungen aus den Gängen räumt und sogar den Eingang bewacht. Während die Gänge vom Pilz anfänglich noch weiß verfärbt sind, erhalten sie durch die zersetzende Arbeit der Pilze auf Dauer eine schwarze Farbe. Am Schluss fressen die fertigen Käfer  die Pilzkultur restlos auf.
Pilze sind von einem geheimnisvollen Schleier umwoben und noch lange nicht, hat die Wissenschaft ihr wundersames Leben ergründet.

Literaturhinweise:
C.L. Duddington : Baupläne der Pflanzen; suhrkamp TB.
Duddington : Pflanzen als Architekten; suhrkamp TB