Donnerstag, 22. April 2010

In der Waldlichtung

Wenn ich meine dustere Waldpfade laufe sind meine Gedanken tief in meiner Innenwelt. Je schmaler und dunkler die Pfade um so lieber laufe ich sie. Umgeben vom Schattenwurf alter Kiefern und Fichten weiß ich dass auch die dunklen Waldpfade immer zu einer Lichtung führen. Bei diesen Waldlichtungen findet sich meistens eine Ruhebank auf der ich mich dann niederlasse und warte bis meine Gedanken sich erhellen. Solche Waldgänge sind mir Wege die zum Sein führen. Hier im Wald bin ich allein, lebe jene Freiheit die mir als die erstrebenswerteste gilt, die Freiheit des Denkens. Von solchen Lichtungen aus schweifen meine Gedanken dann zügig in die Weite. Sie überwinden alsbald den dichten Wald und suchen lichtere Höhen auf. Mir ist dann zumute als wollten meine Gedanken durch die Wolken hindurch in den Kosmos aufsteigen. Für einen Moment fällt alles irdische von mir ab, ich fühle mich leicht wie meine Gedanken und tief in meiner Innenwelt habe ich das Gefühl das noch etwas mit meinen Gedanken aufsteigt. Vielleicht ist es jener Teil in mir denn wir gemeinhin als Seele bezeichnen, der sich nun, da ich mich in dieser Waldlichtung aufhalte sich mit meinen Gedanken zu kosmischen Höhen aufmacht.
hukwa

Sonntag, 18. April 2010

Meine philosophische Spaziergänge

Zusammen gehört Ganzes und Nichtganzes, Übereinstimmendes und Verschiedenes. Einklang und Dissonanzen und aus Einem wird Alles und aus Alles Eines.
Heraklit

Die Erfahrungen die ich auf meinen Wanderungen durch die Natur sammele sind subjektiver Natur. Sie werden nur von mir selbst Erfahren und wahrgenommen. Für jene denen ich darüber erzähle sind meine Berichte aus den Tiefen der Natur reine Spekulationen oder Spinnereien.
Alle meine Wanderungen könnte ich auch als philosophische Spaziergänge bezeichnen. Ich nehme auf, ich nehme mit. Mitnehmen tue ich was mir am Wegrand und in den Wäldern begegnet. Es gibt eine Gewißheit der inneren Erfahrungen. Außer der sinnlichen Erfahrung ist für die Erkenntnis die höhere Fähigkeit des Denkens wichtig also das Vermögen der Anschauungen unkörperlicher, nichtmaterieller Wahrheiten, der Ideen. Diese "Ideen" ruhen in der Natur, in der sichtbaren und unsichtbaren Natur. Die Vorstellung von einer verborgenen Schicht in der Natur die nicht jedem zugänglich ist, ist uralt. Nur die wenigsten können sie "Sehen", weil die meisten sie überhaupt nicht "Sehen" wollen. Nach Kant können wir zwar die Gesetzlichkeiten der Natur, das sich in ihr Immerwiederkehrende, das Regelhafte erkennen, niemals aber "das Dasein der Dinge an sich selbst". So hat es Kant gesehen und ich gebe ihm Objektiv ein wenig recht. Aber nicht Subjektiv. Ich teile nicht mit ihm und einigen anderen abendländischen Philosophen den Sieg der rationalen Vernunft. Kant sagt:" Natur ist das Dasein der Dinge, so fern es nach allgemeinen Grenzen bestimmt ist". Diese Ansicht war mir immer etwas zu seicht. Eines ist mir immer eine wichtige Übung bei meinen philosophischen Spaziergängen, nämlich der Versuch die Grenzen unserer empirischen, konservativen Erkenntnistheorien zu Überschreiten und in dem Versuch zu leben, einzugehen in die Tiefen der Natur. Und ich bringe nur einen Schatz mit nach Hause wenn ich mich von Zeit zu Zeit ganz meinen eigenen Gedanken und Erfahrungen hingebe. Es ist so wie Heraklit einst sagte:"Wir können nicht zweimal in den gleichen Fluß steiegn", den beim zweiten Bad im Fluß der Gedanken sind bereits wieder ganz andere Gedanken ins Flußbett eingelaufen.
hukwa

Freitag, 16. April 2010

Denksatz

Seit die Vergangenheit die Zukunft nicht mehr erhellt, ist der menschliche Geist im Dunkeln.
Hannah Arendt

Für mich ist das ganze Leben Metaphysik. Wenn ich über mein Leben und Tun Nachsinne, dann immer aus einer metaphysischen Tiefe heraus. Wie kann man überhaupt Erkennen wenn nicht aus diesem Tiefengrund heraus? Jegliches metaphysische Denken führt in die Tiefen der Natur.
hukwa

Donnerstag, 15. April 2010

Das Lied der Amsel tönt aus dem Sein

Es war fünf Uhr früh als ich heute Morgen erwachte. Ich öffnete die Fenster und hörte das klare Lied der Amsel. Es ist etwas weiches, beruhigendes in diesem Singen. Auch etwas Erinnerungshaftes liegt in diesen Tönen. Erinnerungen an Kindheit und Jugend erwachen sofort in mir höre ich das Lied der Schwarzdrossel im Frühjahr. Da ich ja schon immer ein Landbewohner bin sind mir diese Töne wohlbekannt. Und jedes Frühjahr lausche ich verzückt diesem Lied aufs Neue. Es dringt tief in meine Seele hinein, erzählt mir über das leben dieses Vogels über sein Vogelsein. Für die Amsel ist Dasein gleich Sein und sie teilt ihre Freude am Sein über ihr Lied der Welt mit. Könnt ihr sie hören? Mir scheint dann als sei diese Musik ein Lied der Erdmutter selbst, gewiß ist es so. Viele hören das Lied der Amsel, doch hören sie es auch bewusst? Lassen sie die weichen Töne tief hinunter in ihr Innerstes? Sie ruft uns im Frühling die Amsel, hören wir ihr also zu.
hukwa

Freitag, 2. April 2010

Wildbach

Vom äußeren und inneren Wandern

Die Natur ist voller Wunder, lieber Cousin;

Uns wird nur der Einblick in einen sehr kleinen

Teil gewährt; es besteht wenig Hoffnung,

dass wir ihre Prinzipen einmal gänzlich verstehen

oder all ihre Geheimnisse enthüllen könnten.

J.-J. Rousseau



Seit ich auf dieser Welt bin erkunde ich sie mit meinen Füßen und meinem Geist. Täglich bin ich in den Wäldern unterwegs. Meine Beine wollen immer Richtung Wald gehen und mein Geist weilt meistens in meinem inneren Wald, jenem archaischen Urwald denn die meisten Menschen so gut wie nie aufsuchen. In diesem Bannwald, diesem letzten Urwald, leben noch die alten Mythen, Drachen und Dämonen. Wer dieses Waldgebiet nicht erkundet, sich nicht aufmacht seine geheimnisvollen Pfade zu begehen, wird irgendwann ein Gefangener dieses Waldes werden. Es wird ihm ergehen wie dem alten Merlin, der vor Sehnsucht nach den sinnlichen Dingen der Welt den alten Wald vergaß und schließlich ein Gefangener dieses Waldes wurde.

Sobald meine Füße den Wald betreten, betritt mein Geist denn inneren Bannwald. So sind meine Waldwanderungen immer innere und äußere Wanderungen. Es ist nicht so dass ich das grüne Reich der Wälder betrete und abschalte, nein, ich bewege mich dann in zwei Welten, einer inneren und einer äußeren, die nach einiger Zeit des Laufens zu einer Welt verschmelzen. Man muss die Kunst des Wanderns, das richtige Gehen nur beherrschen dann stellt sich der Zustand einer metaphysischen Wahrnehmung der Umgebung von selbst ein.

Wandern war für mich auch immer etwas Phänomenologisches. Es ist als würde ich während meiner Wanderung Risse in der zeit erkennen, die es mir manchmal ermöglichen in andere kosmische Zeiträume hineinzuschauen.

Seit frühester Kindheit bin ich ein leidenschaftlicher Wanderer. Niemand hat mich das Wandern gelehrt und bevor ich in die Schule kam hatte ich die Umgebung meines Geburtsortes bestens ausgekundschaftet. Ganz im Sinne wie der große Wanderer Thoreau einmal schrieb: "Man muss in die Familie der Spaziergänger hineingeboren werden. Ambulator nscitur, non fit", was heißen soll: Spaziergänger kann man nicht werden – man ist es durch Geburt! Diesem Stand, dieser Zunft der wirklichen Wanderer und Spaziergänger gehöre ich seit meiner Kindheit an. Man darf die Mietglieder dieser Gesellschaft nicht mit Sonntagswanderern oder Wochenendtouristen vergleichen, eher mit Morgenlandfahrern oder mittelalterlichen Pilgern. Denn für die Mietglieder meines Standes ist das Wandern nicht nur eine Betätigung des Leibes, wir sehen unsere Art zu Wandern auch als eine geistige Tätigkeit.

In der freien Natur lösen sich die Fesseln des Geistes und wir fühlen das es die Möglichkeit gibt einer großen Freiheit entgegen zu wandern. Das Wandern ist eine der letzten Freiheiten, die wir wenigstens für einige zeit täglich wählen können um uns in unserem robotisch vernetztem Gesellschaftssystem nicht ganz zu verlieren. Wandern hat vor allem mit Lust und Daseinsfreude zu tun und führt zu einer Erhellung unserer inneren Existenz. Wahrscheinlich waren deswegen auch die Epikureer, die berühmten Gartenphilosophen der Antike so leidenschaftlich Wanderer.

Ich wandere am liebsten alleine. Auf meinen täglichen Wanderwegen möchte ich mit meinem Geist und den Wäldern alleine sein. Es ist eine Zwiesprache mit der Natur, Meditationsgänge durch den Tempel Wald auf die ich mich bei meinen Spaziergängen begebe. Ein Gespräch findet hier statt zwischen den Wesen des Waldes und mir. Ganz im Sinne von Aristoteles der einmal sagte: Die Heimat des Philosophen ist dort wo er Denken kann! Und wo können wir besser Denken als im Wald während einer wunderschönen Wanderung?

hukwa

Vom Waldgehölz ins Feldgehölz

In unserer Gemarkung ist der Übergang von der Waldlandschaft in die Kulturlandschaft fließend. Dieses plötzliche Hineintreten in eine andere Landschaft ist immer wieder faszinierend für mich. Aus dem dunklen Fichtenwald hinein in die Feldgehölze zu treten bedeutet auch eine ganz andere Tier und Pflanzenwelt beobachten zu können.

Am Nachmittag bin ich zu einer Wanderung zur Willensteiner Burgruine aufgebrochen. Ich laufe diese Route gern führt sie mich doch durch dichten Wald offene kleinere Sumpflandschaft hinein in das Reich der Feldgehölze. Auf dem Weg habe ich nach Frühjahrsblühern Ausschau gehalten. Alles in der Natur ist jetzt ende März noch karg. Doch an den Stellen wo öfters die Sonne hindringt, zeigt sich bereits Blütenleben. Um die selteneren Arten ausfindig zu machen musste ich die Wege verlassen und durch das dichtere Unterholz laufen. An einer mir wohlbekannten Stelle, versteckt an einem Bachlauf fand ich das Lungenkraut in voller Blüte. Jeden März komme ich wenigstens einmal an diesen Platz um die Blüte dieses Heilkrautes das der Volksmund Brüderchen und Schwesterchen nennt zu bewundern. Ihre rötlich – bläulichen Blüten verzaubern denn noch in Winterstarre verharrend Uferrand des Wildbachs. Am Himmel zog ein Bussard seine Kreise und der Ruf des Grünspechts begleitete mich während ich dem Weg des Wassers folgte. Auch die Haselwurz stand schon in Blüte. Ihre veilchenähnliche Blätter haben das dunkelste Grün aller einheimischen Pflanzen. Als ich bei der Burg angekommen war überraschten mich dort die goldgelben Sterne des Scharbockskrautes, sie bevorzugt feuchte Stellen zum Gedeihen und breitet sich dort wo sie sich wohl fühlt wie ein Teppich aus. Die Blüten der stinkenden Nieswurz ist fast schon vorbei doch fand ich ein schönes Exemplar in der Nähe der Burg. Das erste Blühen dieses Frühlingsboten beginnt bereits im Januar. Die alte Erdmutter hat das ungewöhnliche Gedeihen in der kalten Winterzeit auf eine ideale Weise gelöst. Der Pflanze steht nachts Zucker zur Verfügung, der einer wässerige Lösung einen tieferen Gefrierpunkt gibt. So schadet die Kälte der Pflanze nicht. Sie enthält den Zucker durch Umwandlung aus Stärke. Diese wiederum stellt das Gewächs tagsüber mit Hilfe der Sonne aus Kohlendioxid und Wasser her.

An Tagfaltern begegnete mir die Frühform von Zitronenfalter und Landkärtchen.

Ich ließ die Burg hinter mir und erklettert bald einen steilen Waldhang. Um seine Gipfel zu erreichen musste ich viele umgestürzte alte Baumriesen überwinden. Starke dicke Tannen und Eichen reckten ihre Äste hier in den Himmel, während am Boden majestätisch die Leiber ihrer zum Teil vermoderten Geschwister langsam in Fäulnis übergingen. In diesem Prozess des Sterbens und Gedeihens würde unser Wald ohne die zersetzende Kräfte von Pilzen, Flechten, Moosen und Insekten nicht überleben. Die Unmengen an Pflanzen- und Holzresten würden ihn ersticken.

Vom Berggipfel aus hatte ich einen wunderbaren Ausblick über die unter mir liegende Karlstalschlucht. Von hier aus verließ ich denn Wald für einige Zeit und betrat das offene Weiden und Wiesenland das seinen eigenen Zauber besitzt. Wenn ich hier gehe spüre ich immer sehr deutlich denn Geist jener die in vergangenen Jahrhunderten mühselig dieses Stückchen Erde kultiviert haben. Auch zieht es mich oft hierher, weil hier einige sehr alte und mächtige Eichen stehen. Weit über dreihundert Jahre dürfte das Alter dieser Feld- und Grenzeichen sein. Eine von ihnen zieht mich besonders an. Aus einem gemeinsamen Wurzelstock wachsen drei Eichenstämme heraus und bilden ein harmonisches Drillingsgeschwisterpaar. Jeder Stamm so stark, das die Arme eines erwachsenen Menschen zu klein sind diese Baumwesen zu Umarmen. Im Lauf der Jahrhunderte hat sich hier eine faszinierende Vielfalt an Pflanzen und Tieren angesammelt und zu einem eigenen Ökosystem entwickelt. Zwischen den Eichen wuchsen niedere Feldgehölze wie Weisdorn und Holunder und in zwei kräftigen Schwarzbirken entdeckte ich eine große Anzahl von Wachholderdrosselnestern aus dem vergangenen Jahr. Die Wachholderdrossel ist ein bevorzugter Bewohner von Feldgehölzen und erst seit etwa 1850 bei uns beheimatet. Sie entstammt dem hohen Norden. Das sich diese Drossel bei uns ansiedelte muss man auf die Bedeutung der Feldgehölze zurückführen. Die Vögel fliegen von hier aus auf die Wiesen und Felder, wo sie nach Regenwürmern und Insektenlarven suchen. Vor Nesträubern schützen sie sich in gemeinsamer Feindabwehr durch Bespritzen des Angreifers mit klebrigem Kot. Dieses wirkungsvolle Abwehrverhalten würde aber wenig nützen, wenn die Brutkolonien nicht in Feldgehölzen angelegt werden könnten, von denen aus günstige Nahrungsräume unmittelbar erreichbar sind. Große Flugstrecken müssten die Nesträuberabwehr beeinträchtigen und so viel Aufwand verursachen, dass nicht genügend Nahrung für die Jungen herbeizuschaffen wäre. Solche Feldgehölze bieten daher beste Lebensbedingungen für die Wachholderdrosseln. Die größte Artenvielfalt bieten Feldgehölze dann, wenn sich wie hier das Unterholz entfalten kann. Unangemessenes Sauberkeitsdenken ist hier völlig Fehl am Platz und würde solche Biotope zerstören. Es ist eine der Besonderheiten der Trippstadter Landschaft das man hier tiefe Wälder, kleinere Sumpfgebiete und offene Kulturlandschaft eng nebeneinander antrifft.

hukwa