Samstag, 27. Juni 2020

Alles im Fluss oder die Natur liebt die Abwesenheit des Menschen




Der vorsokratische Philosoph Heraklit sah sich als Teil einer waltenden Weltvernunft, die er in der Einkehr zu sich selbst zu finden wusste. Philosophisch ging es ihm weniger um Wissen als um innere Einsicht. Der Mensch stand bei Heraklit nicht im Vordergrund, sein Schicksal war in die Weltvernunft verstrickt der er nicht entgehen konnte. In seinen Fragmenten hinterließ uns dieser „Dunkle“ Denker, wie er auch genannt wurde, eine tiefsinnige ökologische Weltsicht. Seine Suche nach einer kosmischen Einheit und Verbundenheit der natürlichen Vielfalt der Dinge und Wesen können wir als einen ersten Ansatz zum ökologischen Denken sehen. Er glaubte an eine Welt ständigen Wandels, des „ewigen Werdens“. Für ihn war alles „Statische“ eine Täuschung und er lehrte den ständigen Wandel aller Dinge. Diesen „Wandel“ brachte er in seinem berühmtesten Fragment zum Ausdruck: „man kann nicht zweimal in den selben Fluss steigen“.
Das erste Fragment des Heraklit lautet:
Die Natur liebt es sich zu verbergen“.
Dieser Satz ist eine ökologische Tatsache. Was in der Natur vor sich geht kann man oft nicht erkennen, ihre tieferen Vorgänge finden im Verborgenen statt. Viele Symbiosen der Natur, wie die zwischen Pilzen und Bäumen, Insekten und Pflanzen sind für das Auge des Menschen meistens nicht erkennbar.
Fragment 5 und 6 sagt aus:
5 Das Feuer ist Mangel und Sättigung“.
6 Alles wird das Feuer, wenn es hereinbricht, richten und ergreifen“.
Wir können jedes Jahr verheerende Waldbrände beobachten, die in den großen Wäldern der Erde ausbrechen. Für uns Menschen ist dies eine Katastrophe, für die Wälder langfristig aber eine notwendige Erneuerung und Verjüngung. In den Nadelwäldern des Nordens sammeln sich große Mengen unverotteter Nadelstreu an. Schlägt ein Blitz ein, (Fragment 4: Der Steuermann des Weltalls ist der Blitz“) kann es sich entzünden und die Wälder gehen in Flammen auf. Denn zuviele Nährstoffe werden im Lauf vieler Jahre festgelegt und auch der Baumbestand ist vielleicht überaltert und macht nach dem Feuer jungem Wuchs neuen Platz.
Die Natur ist Geschehen, Zyklus- alles ist im Fluss! Nichts ist starr und unbeweglich, alles ist Prozess von Werden und Vergehen.
Heraklit war der erste Philosoph der ökologische Gedanken in die Philosophie einführte. Sein Ausgangspunkt war die exakte Naturbeobachtung, so heißt es in Fragment 16:
verbindungen gehen ein: Ganzes und Nichtganzes; Übereinstimmmendes und Verschiedenes. Akkorde und Dissonanzen; und aus Allem wird Eines und aus Einem Alles“.
Stoffkreislauf und Energiefluss bilden das Fundament der Ökosysteme. Diese Systeme, und mit ihnen die Natur selbst, sind deshalb aus sich heraus immer in Veränderung (Wandel). Die Natur kennt keine Stagnation, stets ist sie im Wandel begriffen. Der heutige Tag ist einmalig und gleicht in seinem Ablauf keinem anderen Tag; kein Jahr gleicht dem vorausgegangenen; selbst die Ozeane ändern sich ständig, jeder Organismus befindet sich in einer dauernden Dynamik, denn: „Jedes mal wenn wir in den Fluss steigen führt er neues Wasser!“
Ökologisch gesehen scheint die Natur die Abwesenheit des Menschen zu lieben, denn er ist der einzige der sich keinem Kreislauf anpassen kann. Vielleicht könnte er es wenn er dazu bereit wäre dies zu lernen. Wir Menschen müssen uns mit den dynamischen Abläufen der Natur vertraut machen uns anpassen und akzeptieren.
Die beobachtung der ökologischen Gegebenheiten der Natur darf für die Menschen nichts weltfremdes sein sondern eine lebensnotwendige Strategie für eine Erde, die, wenn es sein muss auch ohne den Menschen weiterexistieren wird.

Lit.Hinweise:
Nestle: Die Vorsokratiker- Fragmente des Heraklit.
J. Reichholf: Leben und Überleben.

hukwa