Vom guten Wolf
In den archaischen Kulturen gab es die Mär vom bösen Wolf
noch nicht. Meister Isegrim galt als Freund, Helfer und Seelenführer des
Menschen. Das der Wolf zur Bestie stilisiert wurde geschah erst in viel
späteren Zeiten. Das Bild vom „bösen Wolf“ entstand vor allem mit der
Ausbreitung des Christentums.
Bezeichnungen für den Wolf tauchen das erste mal um 7000
v.u.Z. auf nämlich im indogermanischen Sprachraum. Also zu einer Zeit in dem
die Menschen sich noch eins mit der Natur fühlten. Sie sahen keine wesentliche
Unterschiede zwischen sich und der Tierwelt. Man hielt Tiere für ebenbürtig und
einige für Wesen, die mit übernatürlichen Kräften ausgestattet waren. Die
Menschen der Urzeit waren davon überzeugt, das Tiere genau so wie Menschen in
Geschlechts- und Stammesverbänden lebten und das sie eine Seele besaßen. Die
damaligen Menschen waren davon überzeugt das sie selbst und der Stammesverband
dem sie angehörten, in verwandtschaftlicher Beziehung zu irgendeinem Tier
standen. Also eine Totemmiestische Beziehung. Spuren und Überreste dieses
Totemismus haben sich bei vielen Völkern Europa, Asiens, Afrikas und Ozeaniens
bis Heute erhalten vor allem in
Schamanistisch geprägten Gesellschaften.
Unter jenen Tierarten die als Totemtiere verehrt werden ist
die herausragende Stellung des Wolfes hervorzuheben.
Bei den Tlinkit an der Nordwestküste Amerikas aber auch bei
den Irokesen, die im Südosten der Großen Seen lebten, gab es verschiedene
Wolfssippen. Die Usbeken leiteten ihre Herkunft vom Wolf ab. Die Eskimos der
Beringstrasse verehrten den Wolf als Totemtier. Auch die Mongolen verehrten den
Wolf: in einer ihrer Legenden heißt es, dass ihr Volk von einem vom Himmel
geborenen Wolf und einer Hirschkuh abstammt. Das heilige Tier der alten Türken
war der Wolf, da eine Wölfin nach der Legende als Stammesmutter galt. Sein Kopf
zierte die Feldzeichen, und die Offiziere führten seinen Namen. In einer alten
Chronik heißt es, dass diese Wölfin einen hilflosen zehnjährigen Knaben vor dem
Tode gerettet hat. Er war der einzige, der vom Stamm der Hunnen am Leben geblieben
war, die von Feinden vernichtet worden waren. Als er erwachsen wurde, brachte
die Wölfin zehn Söhne zur Welt, deren Vater er war. Jeder dieser zehn Söhne war
der Begründer eines Stammesverbandes.
Die Verehrer eines Totems waren davon überzeugt das sie in
jeder Lebenslage mit der Unterstützung ihres totem Tieres rechnen konnten. Noch
bis in die Neuzeit hinein glaubten die Usbeken, bei denen sich der Schamanimus
bis heute erhalten hat, an die Hilfe ihres Urvaters des Wolfs.
Aber auch beim Volksglauben spielte der Wolf eine wichtige
Rolle. So glaubte man bei vielen sibirischen Stämmen, wenn man einer Frau eine
bevorstehende geburt erleichtern wollte an eine Art Wolfsmagie. Man legte ihr
wie ein Armband einen Wolfskiefer ums Handgelenk oder zerrieb ein Stück
getrocknetes Wolfsherz zu Pulver, löste
es in Wasser auf und gab es ihr zu trinken. Das Neugeborene hüllte man in ein
Wolfsfell, damit es lange lebte. An die Wiege hängte man als Amulett
Wolfszähne, Krallen und Afterzehen. Erwachsene Usbeken trugen, um sich gegen
Unglück zu schützen, Eckzähne, Zähne und Krallen vom Wolf. Solche Amulette
durften nicht verkauft oder getauscht werden, sie durften nur verschenkt
werden. Auch bei den Burjaten stand der Wolf in höchsten Ansehen, sobald jemand
Fieber bekam wurde er in Wolfsfelle eingehüllt, bei den Kasachen und
Kasantataren rieb man bei Ausschlag, Flechte oder sonstigen Erkrankungen der
Haut die Stelle mit einem Wolfsschweif.
In Europa, vor allem bei den Germanen spielt die
Wolfsmythologie eine äußerst wichtige Rolle. Aber auch bei den Griechen und
Römern. Der römische Gelehrte Plinius d. Ä., der im 1. Jh. lebte , schrieb dass
ein Wolfskopf die Kraft jeden Zaubers zu brechen vermag. Aus diesem Grunde
wurden sie an die Tore der römischen Landsitze genagelt. In Deutschland und
Frankreich verwendete man aus dem gleichen Zweck heraus einen Wolfsrachen.
Bauern in Sizilien bewahrten noch im 19. Jh. eine Wolfspfote im Stall auf, der
das Vieh schützen sollte.
Der Mensch der ja das Totemtier als seinen Verwandten ansah,
begegnete selbst dem toten Tier noch mit größter Ehrerbietung. Die alten
Athener gingen sogar so weit das sie jedem getöteten Wolf ein Begräbnis
ausrichteten. Auch die Jakuten überließen einen toten Wolf nicht einfach seinem
Schicksal: Sie wickelten ihn in Heu und hängten ihn an einen Baum, sie
bestatteten ihn also so wie es bei den Taigabewohnern Brauch war. Die Usbeken
setzen Wölfe in der erde bei.
In den Schamanistischen Gesellschaften glaubte man das Tiere
die menschliche Sprache verstehen würden. Wenn ihnen ein Mensch nicht die
richtige Ehrerbietung entgegenbrachte dann würde das Tier sich an einem Rächen
so dachte man. Daher verwendete man für
Wölfe oft Tabubezeichnungen. Bauern aus der Gegend von Smolensk, sagten bei
einer Begegnung mit Wölfen: „Guten Tag, ihr braven Burschen“! Die Esten nannten
den Wolf „Hirte“, „Langschwanz“ oder „Onkel“, die Litauer „Feldgeist“ und bei
den Korjaken sagte man „der sich abseits im Hintergrund hält“, bei abchasischen
Jägern „glücklicher Rachen“.
Die Tschuktschen sahen im Wolf ein übernatürliches Wesen.
Wenn dieser ein Rentier riss, taten sie ihm nichts, da sie fürchteten dass die
übrigen Wölfe dann alle Tiere töten würden. Die Jakuten hielten den Wolf für
den Sohn ihre Gottes Uluu – Tojon. Es war verboten ihn zu töten oder irgend
einen Schaden zuzufügen. Für die Korjaken ist der Wolf der Herr der Rentiere
und der König der Tundra. Es war nicht nur verboten, ihn zu töten, sondern ihm
auch sonst irgendwie Schaden zuzufügen. Bei den nordamerikanischen Arapacho
Indianer herrscht ein alter Wolf über die Wesen der Natur.
hukwa