Samstag, 4. Februar 2012

Die alte Krähe - Ein Märchen

In den hohen Kronen einer mächtigen Buche war das Nest der alten Krähe, Krah. Viele Jahre thronte sie dort oben im wilden Geäst und beobachtete von dort aus ihre Umgebung. Von hier aus ging sie auf ihre Streifzüge, stahl den Hühnern und Tauben ihr Futter und war die Herrin über die besten Kompostplätze in den Gärten des nahe gelegenen Dorfes. Sie lebte immer in Saus und Braus, doch jetzt war Krah alt geworden. Ihre Kräfte ließen nach in den Flügeln steckte Rheuma so dass es ihr schwer fiel an feuchten Tagen den Flug zu ihrem Nest zu finden. Sie fand auch nicht mehr genügend Futter. Wenn sie zu den Tauben flog oder zum Hühnergehege wurde sie davon gejagt. An den Komposthaufen hatten sich nun junge Krähen breitgemacht und auch die machten ihr das Futter streitig. Krah wusste ihre Zeit war gekommen. Am Boden lauerte der Fuchs auf sie und in den Lüften der Habicht. Es fehlte ihr an Kraft und Energie ihnen auszuweichen. Eines Morgens saß sie auf dem höchsten Ast im Gipfel der Buche, sie wusste ihre Zeit war gekommen. Noch einmal zog ihr Krähendasein an ihr vorbei. Sie dachte an ihre vielen Kinder, an vergangene Sommer und Winter und an vieles mehr. Noch einmal schaute sie über die Landschaft die ihr so lange Heimat war. Dann stieß sie ab und flog davon. Immerhöher und immer höher flog die alte Krah, so hoch wie sie noch nie in ihrem bisherigen Leben geflogen war. Bald war sie über den Wolken und sogar die Flugzeuge flogen tief unter ihr. So hoch flog kein Adler und kein Habicht dachte sie, aber eine alte Krähe. Der Fuchs braucht sich ihrer nicht zu erbarmen und kein Huhn wird mehr nach ihr Hacken. Und so flog sie immer höher und dachte: Wenn die Zeit gekommen ist sollte sich eine alte Krähe auf den Weg machen und zu neuen Horizonten fliegen, weil irgendwo immer etwas Neues wartet.

hukwa