Mittwoch, 4. Dezember 2019

Politische Verweigerung und gewaltloser Widerstand bei Henry David Thoreau


Foto©Hans Wagner

Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“

Die Lehre von der Verzweiflung,
der geistigen oder politischen Tyrannis
und Knechtschaft, haben nie die verkündet,
die an der Heiterkeit der Natur teilhaben.
Henry David Thoreau

Er gilt als der geistige Vater Ghandis und Martin Luther Kings. Der Übersetzer seines Essays „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“ W.E. Richartz schrieb: Thoreau macht ganz deutlich: Gewaltloser Widerstand, das heißt nicht einfach Protest gegen staatliche Willkür; es heißt: Umlenkung der Staatsgewalt gegen den Staat selbst; es heißt Anwendung des Judo-Prinzips in der Politik“.
Thoreau wurde am 1817 in Concord/ USA geboren. Berühmt wurde er vor allem durch sein Aussteigerbuch „Walden oder Leben in den Wäldern“. Er gilt als Stammvater des nature writing und schrieb vor allem Tagebücher. In diesen Schriften setzte er sich vorwiegend mit der Natur auseinander aber auch mit kritischen Gedanken über die gerade entstehende Industriegesellschaft und die Sklaverei in den Vereinigten Staaten.
Für Henry David Thoreau galt immer das Modell des „Gesellschaftsvertrages“, wonach die Regierung auf der Grundlage eines Übereinkommens mit der Bevölkerung eingesetzt und von dieser auch wieder abgesetzt werden kann, wenn sie sich als unfähig oder tyrannisch erweist. Geistige Unterstützung bekam er hier wohl auch von Rousseaus Discours (1754). Thoreau war der Meinung, keine Regierung habe das Recht seine Bürger zu bevormunden und ein Staat darf keine Gesetze erlassen die der Bürger in seinem Herzen für ein schweres Unrecht hält.
Im gleichen Jahr als Thoreaus politischer Essay erschien, entstand auch das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. So schrieb Hugo Dittberner vor einigen Jahren in der „Franktfurter Rundschau“: „Mag sein, dass sich auf längere Sicht Thoreaus Freiheitslehre als die historische Antwort auf den Kapitalismus und seine Industrie – Zivilisation erweisen wird, wirksammer...als das Kommunistische Manifest... dessen utopische Momente zwar ähnlich, aber ungleich...abgehobener sind.“
So könnten die Schriften Thoreaus eine Alternative aufzeigen zwischen Kapitalismus und Sozialismus.
Er schrieb in seinen Tagebüchern: „Der Mensch ist so reich wie die Anzahl der Dinge, auf die er verzichten kann“. Das bedeutet auf die Gegenwart bezogen, würden wir aufhören Konsumgüter zu kaufen und unser Geld nicht mehr den Banken anvertrauen die damit die Klimakrise unterstützen und die Zerstörung unserer Umwelt, würde es nicht mehr lange dauern und das kapitalistische System wäre bald ausgehöhlt. Thoreaus Lebensführung war ein ständiges Streben nach Selbstverwirklichung und diese fand er nicht im reden darüber, sondern in einer nach Vollkommenheit strebenden Lebenspraxis. Die Menschen die ihre Entfremdung durch die Gesellschaft überwinden wollen sollten ein besseres Leben führen als jene geschäftstüchtigen Mitbürger die nur Geld verdienen im Kopf haben, riet er seinen Freunden und Bekannten. Sein berühmter Essay ist nichts anderes als das Manifest eines kritisch denkenden Menschen der nicht bereit ist dem Staat sein Gewissen abzutreten. Sein erfolgreichstes Buch ist „Walden oder Leben in den Wäldern“. Am 4.Juli 1845 bezieht Thoreau eine Hütte, die er sich selbst gebaut hatte, am Waldensee bei Concord. Er lebt in aller Abgeschiedenheit zwei Jahre und zwei Monate an diesem naturromantischen Platz. Als er einmal wieder seine Heimatstadt Concord aufsucht sperrt man ihn für eine Nacht ins Gefängnis. Der Grund: Aus Protest gegen den Krieg den die Vereinigten Staaten mit Mexiko führten weigerte sich Thoreau Steuern zu zahlen. Dies wurde zu einem Schlüsselerlebnis des Schriftstellers und trug maßgeblich zur Entstehung seines politischen Esssays über „die Pflicht zum Widerstand“ bei.
Trotz seines Strebens nach Selbstverwirklichung des Einzelnen wies er immer wieder darauf hin dass das Private auch das Politische ist. „Und so hat er vorgelebt, wo die Umkehr des Zerstörungsprozesses unserer Umwelt ansetzen muss: beim individuellen Menschen“(Susanne Schaup). Für Thoreau war der Staat unmenschlich und zwar deshalb, weil er der Habgier der Konzerne dient. „Eine Regierung sagte er einmal, ist eine sich selbst perpetuierende Institution, die kein Gewissen besitzt und die Freiheit des einzelnen systematisch beschneidet“ (Philipp Wolff-Windegg). „Wir sollten aber zuerst Menschen sein und dann erst Untertanen“ meint Thoreau.
Angesichts der vielleicht Unumkehrbarkeit mancher Entwicklungen im Bereich unserer Um- und Mitwelt, vor allem der immer stärker werdenden Klimakatastophe bleibt zu hoffen, dass immer mehr Menschen sich auf ihr grundgesetzliches Widerstandsrecht berufen und aufrufen zum bürgerlichen Ungehorsam.



Lit. Hinweise:
Susanne Schaup: H.D.Thoreau- aus den Tagebüchern 1837-1861.
H.D.Thoreau: Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat.
H.D. Thoreau: Walden oder Leben in den Wäldern.
Philipp Wolff-Windegg: Denken mit H.D. Thoreau.

hukwa