Freitag, 22. November 2019

Mensch und Natursein in Zeiten der Klimakrise

Foto©Hans Wagner


Der Arzt, Physiker und Philosoph Theodor Fechner ( 1801-1887) schrieb in Nanna oder die Seele der Pflanzen einem Werk, das ihm den Sarkasmus der Universitäten und seiner Kollegen einbrachte, aber auch eine Popularität, die sich in vielen Auflagen ausdrückte: Warum sollten wir glauben, dass eine Pflanze sich ihres Hungers und Durstes weniger bewusst ist als ein Tier? Dieses sucht Nahrung mit seinem ganzen Körper, die Pflanze nur mit einem Teil, nicht von Nase, Augen und Ohren geführt, sondern mit anderen Sinnen. Er verkündete ebenfalls, dass einer der Hauptzwecke des menschlichen Körpers letztendlich vielleicht nur der sei, der Entfaltung des pflanzlichen Lebens zu dienen, indem er Kohlendioxid ausstößt und sich nach dem Tode als Nahrung anbietet.
Das war eine Umwertung der Werte, aber wer sagt uns das die Pflanzen für uns Menschen geschaffen sind und nicht umgekehrt?
Nach Fechners Ansicht ist der Mensch also nicht die Krone der Schöpfung sondern einfach nur ein Glied (ihr schwächstes) wie andere Lebewesen aus dem Pflanzen- und Tierreich. In heutige Zeit übersetzt ist Fechners Ansicht nichts anderes als eine grundlegende Kurskorrektur, die für die gesamte Gesellschaft relevant sein kann und eine andere Einstellung zur Natur erfordert. Nämlich Pflanzen und Tiere als das anzusehen, was sie wirklich sind: Mitwesen in einer gemeinschaftlichen Mit – Welt. Ein solches Bewusstsein muss erst einmal entfaltet werden. Es bedeutet, das ökologische Denken kommt vor dem ökonomischen.
Die Klimakatastrophe ist dabei, die natürlichen Grundlagen unserer Existenz zu vernichten. Das es überhaupt soweit kommen konnte hängt auch damit zusammen, dass der Großteil der Menschen kein Mitsein mit der Natur kennt.
In ihrem Buch „Feuer, Wasser, Erde, Luft: Eine Kulturgeschichte der Elemente“ schreiben Gernot und Hartmut Böhme davon, wie die Elemente auch in uns lebendig sind. Wir sind Tiere, wir sind Pflanzen, wir sind Elemente in menschlicher Gestalt. Eine philosophische Lehre die der vorsokratische Philosoph Empedokles schon vertrat. Was also nichts anderes heißen soll als dass die Menschheit nicht als Eroberungsvolk über die Erde gekommen ist sondern als Mitwesen in der Gemeinschaft von allem Lebendigen. Doch solange der Mensch seine Naturgeschichte nicht in sich spürt arbeitet er gegen die Natur. Wir alle sind letztendlich Individuationen des Naturganzen und gehören als Naturwesen zu ihr, da wir ohne sie ja überhaupt nicht existieren können. „Die Natur kommt im Menschen zur Sprache“ (Klaus Michael Meyer-Abich).
Es waren die vorsokratischen Naturphilosophen die als erste die Natur als das bezeichnet haben was sie ist: Physis, um sie schließlich im Logos zu Wort kommen zu lassen. Und schon sie wussten dass das menschliche Dasein nur im Zusammenhang mit der Natur ein ganzheitliches sein kann.
Theodore Roszak sagte einmal: „Der Aufschrei persönlicher Qual, der durch diese Generation geht, ist zugleich der Hilferuf der Erde...“
Würden sich die Menschen wieder mehr mit der Natur identifizieren wäre auch ein gegenseitiger Frieden möglich.
hukwa

Lit. Hinweise:
Meyer-Abich: Wege zum Frieden mit der Natur.
Michael Hauskeller: Naturerkenntnis und Natursein.
J. Brosse: Magie der Pflanzen.
Th. Fechner: Nanna oder die Seele der Pflanzen.
Th. Roszak: Mensch und Erde auf dem Weg zur Einheit.