Auszug aus meinen mythologischen
Meditationen
Schon immer ist mir der Morgen eine
besondere Zeit gewesen. Ich finde eine große Klarheit und Ruhe sind
dem Morgen inhärent. Vor allem, wenn man in den frühen
Morgenstunden, durch die Natur wandert, spürt man diese Klarheit
sehr deutlich. Besonders im Frühjahr habe ich einen tiefen Bezug zu
den frühen Morgenstunden. Das Gezwitscher der Vögel, das flötende
Lied der Amsel, versetzt mich bei meinen Wanderungen in einen
meditativen Zustand. Es ist der Bannstrahl der Göttin Aurora, der
mich in diesen frühen Stunden erfasst und dem ich mich dann auch für
einige Zeit ganz hingebe. Eos, nannten die alten Griechen die Göttin
des frühen Morgens, sie ist identisch mit Aurora der Morgenröte,
Tochter der Theia und des Hyperion, ein Sohn des Uranos und der Gaia.
Sie muss ja mit der Erdmuter verwandt sein, die Göttin, die
schützend ihre zarte Hand über den goldenen Morgen hält. Die
Tautropfen, die perlend an den Pflanzen und Bäumen hängen, sind
die Tränen die sie um ihren Sohn
Memmon weint. Er, der dem König von
Troja, Priamos zu Hilfe eilte und von Achilles getötet wurde doch
schließlich durch das Flehen seiner Mutter Unsterblichkeit erlangte.
Eos war die Gemahlin des Astraios, dem sie die Winde und den
Morgenstern gebar. Eos ist eine wunderschöne, rosenfarbige Göttin,
ein Abbild der goldenen Morgenröte. In aller Frühe erhebt sie sich
von ihrem Lager und beginnt ihr Tagwerk. Sie zieht sich ihren
safranfarbigen Mantel über und schirrt ihre Pferde Lampos (Glanz)
und Phaieton (Schimmer) an den goldenen Wagen, um so den Tag zu
verkünden. Sie wird dargestellt mit einer Fackel in der Hand, ihre
Rosse lenkend, durch die Lüfte schwebend. Gleich einer wilden
Sturmgöttin entführte sie auch Menschen, um sich ihrer Liebe zu
erfreuen, so den Tithonos. Doch entführt sie nicht auch uns heute
noch, wenn wir durch die wunderschöne Natur wandern um den frühen
Morgen zu genießen? Zeus gewährte ihr für den Tithonos ewiges
Leben, aber sie hatte vergessen für ihn auch um ewige Jugend zu
bitten, so vertrocknete er und seine Stimme schwand, geschickt
verwandelte Eos, ihren Geliebten in eine Zikade, so das sie
wenigstens noch seine Stimme hören konnte. Hier wird Eos auch
Vegetationsgöttin, symbolisiert doch das vertrocknen, die Jahreszeit
des Herbstes, wo die Vegetation sich zur Ruhe begibt, aber jeden
Sommer lauscht sie dem Gezirpe der Zikaden und weint Tränen um ihn
und um Memmon, die wir als Tautropfen vorfinden.
Wie eine mütterliche Hülle des Lebens
empfängt uns der frühe Morgen, bereitet uns auf einen neuen Tag
vor, von dem wir hoffen das es ein in sich ruhender Erdentag wird.
Ist die Natur eine große Lehrerin so ist die Mythologie uns
Ratgeber, wie wir im Buche der Natur lesen können, wenn wir uns nur
Mühe geben, so kann uns der Mythos, Therapeut und Philosoph sein,
beide – Natur und Mythos, werden wenn wir ihre Weisheiten lesen
können, zu einem geheimnisvollen Schöpfungsalphabet. Zu einem
Wegweiser nicht nur in graue Vorzeiten
Goldener Zeitalter, sondern auch zu
einem Pfad der direkt in unser Unbewusstes führt.
Ewig erklingt die Stimme des Mythos in
uns, eine treibende Kraft ist er wie auch die Philosophie. Novalis
bemerkte einmal: "Aus einem Menschen spricht für dieses
Zeitalter Vernunft und Gottheit nicht vernehmlich, nicht frappant
genug – Steine, Bäume, Tiere müssen sprechen, um den Menschen
sich selbst fühlen, sich selbst besinnen zu machen."
hukwa
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