Samstag, 3. November 2012

Das andere Denken der Kelten


Die zentrale Rolle in der Welt der Kelten spielten die Druiden und dies nicht nur in religiöser Hinsicht. Wir wissen heute das es in der keltischen Gesellschaft nicht den geringsten Unterschied zwischen dem Bereich des Sakralen und des Profanen gab. Gegenüber dem griechisch – römischen Denken war die Geisteshaltung der Kelten eine vollkommen andere. Die Kelten hatten ein anderes Wertesystem, eine andere Wirklichkeitsauffassung, eine ganz andere Art zu denken und zu empfinden, als die Griechen und Römer. Dieses „andere Denken“ der Kelten beruhte unter anderem auch auf der Philosophie der Druiden. Es waren die Griechen die den Druiden die Bezeichnung Philosophen gaben. Sie sahen das druidische Denksystem als eine philosophische Schule an, obwohl sie dieses wohl nicht begreifen konnten. Das dass Denken der Kelten so völlig anders war als dass der Griechen und Römer geht vor allem aus der Rolle der Frau in der keltischen Gesellschaft hervor. Allein das es nicht nur Druiden sondern auch Druidinnen gab, also auch „Philosophinnen“, war bei den Griechen und Römern undenkbar. In seinem Buch die „keltische Frau“, schreibt der Keltologe Prof. Markale:
„Die Druiden stellten für den römischen Staat eine absolute Bedrohung dar, weil ihre Wissenschaft und Philosophie der römischen Orthodoxie in gefährlicherweise widersprach. Die Römer waren materialistisch, die Druiden spirituell. Für die Römer war der Staat eine monolithische Struktur, der sich über bewusst hierarchisch  organisierte Territorien erstreckte. Für die Druiden stellte er eine auf freier Übereinkunft beruhende moralische Ordnung mit einem rein mythischen zentralen Grundgedanken dar. Das römische Recht basierte auf privatem Grundbesitz, wobei die Eigentumsrechte ausschließlich in den Händen der Familienoberhäupter lagen, während für die Druiden Eigentum immer etwas kollektives war. Die Römer betrachteten Frauen lediglich als Gebärmaschinen und Lustobjekte, die Druiden bezogen sie in ihr politisches und religiöses Leben mit ein. Daraus lässt sich ermessen wie sehr das subversive Gedankengut der Kelten die römische Ordnung bedrohte, obwohl dies nie offen ausgedrückt wurde. Der Eifer, den die Römer bei ihrer Abschaffung der gallischen und britischen Eliten an den Tag legten, wird immer wieder bestaunt; dabei lässt man jedoch die Tatsache außer acht, dass es sich hier für die römische Gesellschaft um eine Frage von Leben und Tod handelte“.

Wir sollten uns immer Bewusst vor Augen halten dass die alten klassischen Berichte, allen voran Cäsar, antikeltische Propaganda  des römischen Imperiums waren. Noch heute herrscht in der Fachwelt die Tendenz vor, diese Quellen als nicht anzuzweifelnde Tatsachen zu akzeptieren. Als dann die Kelten endlich damit begannen ihre eigene Geschichte schriftlich zu skizzieren, waren aus ihnen bereits Christen geworden, weshalb die Druiden in diesen Dokumenten nicht mehr so dargestellt wurden wie sie wirklich waren.  Hier muss auch einmal dem Vorurteil, die Kelten seien Analphabeten gewesen, ein Riegel vorgeschoben werden. Die Elite der Kelten war schon des Schreibens kundig, es waren wohl die Druiden von denen es ausging, das Wissen nicht schriftlich weitergegeben werde durfte. So ist es auch nicht verwunderlich das die Ausbildung zum Druiden fast zwanzig Jahre in Anspruch nahm. Die Kelten waren das europäische Volk dass am meisten romantisch verklärt wurde, wohl und vor allem weil wir bis heute noch nicht genau ihre Mythologie verstanden haben. Hier darf man vor allen Dingen nicht vergessen das fast der gesamte europäische Märchenschatz auf der Mythologie der Kelten beruhte. Joseph Campbell schreibt zu recht:

„Fast alle Einzelheiten seines Märchenlandes entnahm Europa der Phantasiewelt der Kelten. Die  Jugend Siegfrieds, Brunhilds Schlaf, das Schwert im Baum und das zerbrochene Schwert sind aus der keltischen Tradition übernommene Motive…verzaubert schlafende Prinzessinnen, einsame Schlösser im gefährlichen Wald, rauschende Drachen in reifbedeckten Höhlen, der Merlinzauber, die Fee Morgane und kichernde alte Hexen die durch einen Kuss in die schönste Jungfer der Welt verwandelt wurden“. 

Dieser riesige Märchenschatz der vor allem in Irland und England in Sammlungen wie dem „Mabinogion“ enthalten sind, das ist dass „andere Denken“ der Kelten, ja, das ist die „Anderswelt“ der Kelten. Auch in den Märchen der Brüder Grimm tauchen immer wieder Motive aus der keltischen Mythologie auf. Sie haben sich im Lauf der Jahrhunderte mit Motiven anderer Völker vermischt, doch das Gerüst dieser Märchen entstammt dem denken der Kelten. Mathew Arnold hat es so beschrieben:

„Ein mittelalterlicher Geschichtenerzähler plündert ein Vorratslager von Antiquitäten aus, ohne den Sinn dessen, was er da vorfindet, immer voll und ganz zu begreifen. Erist wie ein Bauer, der seine Hütte auf der Stelle errichtet, auf der einst Halicarnassus oder Ephesus gestanden haben.
Er baut, und in das Mauerwerk gehen Materialien mit ein, deren Geschichte und Wert er nicht genau kennt.
Er sieht Steine und Quadern, aber zu welchem Bauwerk sie ursprünglich gehörten, das weiß er nicht. Sie stammen aus einer älteren Epoche der Architektur, in Formen und Strukturen größer, komplizierter und majestätischer als alle Formen seines Vorstellungsvermögens“.

Es wurde viel darüber geschrieben das die Kelten und vor allem ihre Philosophen die Druiden romantisch verklärt wurden, das ist auch vollkommen richtig, aber wenn wundert dies bei einem Volk dass einen solchen Märchenschatz hervorgebracht hat und eine der geheimnisvollsten Mythologien besitzt. Diese Mythologie ist sehr naturalistisch geprägt.

Man kann mit Sicherheit annehmen dass Naturobjekte, wie etwa Berge und Höhen, Quellen und Flüsse, Bäume, aber auch die Megalithbauten von altersher Gegenständer der Verehrung und des Kultes bei den Kelten waren. Vor allem Baum- und Quellenkulte sind bis in eine sehr späte Zeit aus den gallischen Heiligenriten bekannt, und heute noch werden den Dolmen und Menhiren Frankreichs geheimnisvolle Kräfte zugeschrieben, die den Ausgangspunkt eines  ganzen Abergläubischen Handlungskomplexes bilden.
Man muss Jacques Moreau recht geben wenn dieser schreibt:

„Die seltsame Mischung von Irrealem und Übernatürlichem, von Märchenhaften und gesunden Wirklichkeitssinn spiegelt das träumerische Wesen wider, das so charakteristisch für das keltische Volk ist“. 

In seinem Buch „die Welt der Kelten“ schrieb Moreau zum Abschluss:

„Man hat zuweilen die Frage aufgeworfen, was der Welt dadurch verlorengegangen sei, dass Rom die keltische Kultur auf dem Festlande vernichtet hat, ehe sie zu ihrer vollen Entfaltung gelangen konnte. Es ist ziemlich müßig, das Rad der Geschichte zurückdrehen zu wollen und sich zu überlegen, wie anders die Entwicklung unserer Kultur verlaufen wäre, wenn Vercingetrix Cäsar besiegt hätte. Auch nach einem Sieg der Vercingetorix wäre Gallien ebenso wie alle anderen keltischen Provinzen schließlich doch unterlegen. Die Kelten waren nicht dazu geschaffen, der Welt das Beispiel eines großen, durch feste Gesetze regierten Reiches zu geben und durch eine einheitliche zielbewusst gelenkte Machtpolitik in der Geschichte nachhaltige Spuren ihres politischen Könnens zu hinterlassen. Aber wer wagt es zu entscheiden, ob Martha oder Maria den besseren Entscheid gewählt hat? Wenn die Tat mit recht die Schwester des Traums heißt, dann setzt sich alle Kultur aus den beiden zusammen, und unsere europäische Kultur schuldet dann wohl einige ihrer höchsten Werte jenen, die einst in Gold und Bronze unendliche Kurven – Spiegelungen ihrer ins unendlich schweifende Träume – einritzten oder in einem Grashalm das Bild des Universums erblicken konnten“. 
hukwa