Meditation
Christian Morgenstern hielt in seinen Tagebüchern folgende
Notiz fest:
"Ich bin wie eine Brieftaube, die man vom Urquell der
Dinge in ein fernes, fremdes Land
getragen und dort freigelassen hat. Sie trachtet das ganze
Leben nach der einstigen Heimat,
ruhlos durchmisst sie das Land nach allen Seiten. Und oft
fällt sie zu Boden in ihrer großen Müdigkeit, und man kommt hebt sie auf und
pflegt sie und will sie ans Haus gewöhnen. Aber sobald sie die Flügel nur
wieder fühlt, fliegt sie von neuem fort, auf die einzige Fahrt, die ihrer
Sehnsucht genügt, die unvermeidliche Suche nach dem Ort ihres Ursprungs. "
Vielleicht suchen Menschen aus einem ähnlichen Grund heraus,
die Technik der Meditation auf. Ich meine die spirituelle Meditation, die man
richtig angewendet als ein gesamtpersonales Ereignis bezeichnen kann. Diese Art
der Meditation kann zu einer Pilger-
reise in den eigenen vier Wänden werden. Meditation ist auch
immer Erfahrung. Das Wort Erfahrung hat seine Wurzel in einem anderen Wort, in
"ervan", dies bedeutet "reisend erkunden" und wenn wir uns
in Meditation befinden, tun wir ja auch beides: wir reisen und erkunden unser
Inneres, unseren Geist, unsere Seele. Um etwas zu Er-fahren brauchen wir also
kein Fahrzeug mit dem wir uns fortbewegen, das wirklich Tiefe lässt sich nur
geistig erfahren.
So ist gerade die spirituelle Meditation keine Sonntags-
oder Feierabendbeschäftigung sonder der ALL-TAG ist unser Übungsfeld, obwohl
sich natürlich die wahren Erkenntnisse im Stillen ereignen, denn das Schweigen
ist eine der höchsten Wirklichkeiten echt erlebter Existenz.
Während der praktischen Meditation spüren wir sehr schnell,
das unter der Schale unserer Alltagsinteressen ganz andere Bedürfnisse
verborgen liegen, als wir sie bisher von unserem Oberflächenbewusstsein her
kennen. Meditation darf auf keinen Fall zur Flucht aus der Alltagsrealität
werden, betrachten wir sie mehr als eine Insel, als einen Zufluchtsort vor
allem als unsere geistige Heimat. Allem vordergründigen Anschein zum Trotz,
ereignet sich in der stille der Meditation eine große nähe zur Welt, wir kommen
den Dingen des Daseins sehr nahe. Es kann uns Vorkommen als würden wir uns
während der Meditation, tief in uns selbst hineingraben, wir dringen vor zu
jener, vielleicht vergessenen Existenz, die vom Alltagsbetrieb verschüttet
wurde.
Durch regelmäßige Meditation entwickeln wir eine innere
Dynamik, die zwar im Verborgenen wirkt aber die uns hilft die Fallstricke des
Lebens sicherer zu meistern. Die Übung von Meditation wird uns immer zu einer
Ganzheit führen, ja zu einem Ahnen der Ewigkeit. Wenn dieses Ahnen bedingt
durch meditative Übungen in uns aufdämmert, beginnt in uns ein loslassen von
den Erinnerungen der Vergangenheit und den Beunruhigungen der
Zukunft. Wir entsteigen uns selbst, retten uns hinüber ins
schweigende Reich der Meditation.
Wir haben die Mitte unserer Existenz erreicht und betrachten
von hier aus, die Mitte der Welt.
Meditation macht aus uns einfachere Menschen, wir heben uns
über alles Komplizierte hinweg und erreichen Schlichtheit.
Das Mandala
Das Sanskrit – Wort „Mandala“ bedeutet soviel wie Kreis und
Mittelpunkt. In der herkömmlichen Überlieferung verkörpert das Kreismuster das
Jenseitige, Außenstehende; das Viereckige stellt die Erde oder die Zeitlich
begrenzte Welt der Menschen dar. Die vollendete Entwicklung der Mandalas wurde
von den tibetischen Mönchen erreicht. Ihre Thangkas sind geschätzte Kunstwerke
und Instrumente der Meditation.
Innerhalb eines Vierecks in der Mitte des Mandalas befindet
sich die Heimstätte der Gottheit. Hier ist der Palast des inneren Seins. Er ist
von einem oder mehreren Kreisen umgeben, die bestimmte Phasen der Initiation
oder Stufen des Bewusstseins kennzeichnen. Das Muster deutet eine Bahn zwischen
den verschiedenen Dimensionen des Makrokosmos und des Mikrokosmos an, d.h.
zwischen dem Menschen und dem Universum. Das Mandala ist das Tor zum Jenseits,
die Übergangsstelle, an der sich die Welten gegenseitig durchdringen können.
Das Prinzip der Mitte ist allen Mandalas gemein. Der Kreis,
symbolisiert den Anfang der Zeit, des Raumes, der Schöpfung selbst. In der
Mitte liegt der Ursprung aller Dinge, der Kern des Schöpfergeistes, die
Heimstätte der Ewigkeit. Von dieser Mitte aus werden alle Dinge sichtbar, zu
dieser Mitte kehren wir eines Tages wieder zurück.
Wir alle befinden uns immer in der Mitte unseres eigenen
Mandalas. In ewiger Gegenwart durchdringt unser Bewusstsein unser körperliches
seelisches und geistiges Dasein.
Jedes Mandala und seine einzelnen Bestandteile enthalten
verschiedene innere Bedeutungen. Die Mandalas gerader Zahlen entstehen aus
einer Mitte, die aus vier Rechtecken gebildet wird. Diese Gruppe von Rechtecken
stellt den Rhythmus der vierfachen Zeitalter, Jahreszeiten und Elemente dar.
So ist auch das Mandala des Shiva, des Gottes der
Verwandlung, beschaffen, dessen endloser Tanz, den fortwährenden Fluss der
Natur und des Kosmos widerspiegelt. Diese Art Mandala hat kein Viereck in der
Mitte, denn der Mittelpunkt der Zeit ist die ewige Gegenwart. Sie gehört zu den
Mandalas der Gruppe der Vatsu Purusha, die als Modelle zum Bau der alten
Hindutempel dienten. Sie ist das Symbol des unbedingten oder absoluten Wesens
(Purusha), insofern dieses Wesen sich der Verwandlung in das Dasein (Vastu)
fähig zeigt.
In seinem Buch „der Weg nach Shambhala“ schreibt Edwin
Bernbaum über das tibetische Mandala: „Wenn sich der Yogi mit seiner
persönlichen Schutzgottheit identifiziert, setzt er seine Umwelt mit dem
Mandala dieser Gottheit gleich. Seine unmittelbare Umgebung wird zu seinem Palast,
die Menschen, denen er begegnet, werden zu Gottheiten und der Horizont zum
äußeren Feuerring. Diese Visualisierung bringt eine geistige Grundstimmung
Hervor, die der Yogi auch in seinem alltäglichen Leben zu erhalten versucht.
Alles, was ihn umgibt, kann sein göttliches inneres Wesen offenbaren. Durch das
Mandala sieht er die Welt als Nirvana, hört in allen Klängen Mantras und
betrachtet alle Wesen als Buddhas. Er sieht mehr und mehr, das die anderen
Menschen verschiedene Aspekte seiner Selbst reflektieren, wie die Gottheiten
des Mandalas die verschiedenen Aspekte der zentralen persönlichen
Schutzgottheiten manifestieren. Durch sie kann er die ihm verborgenen Seiten
seines Geistes unterscheiden lernen, die er zum Leben erwecken muss. Jeder kann
ihm auf seine ganz bestimmte Art und Weise eine wertvolle Lehre erteilen. Mit
der zunehmenden Vertiefung dieser Bewusstheit hört er auf, sich als isolierte
Wesenheit zu betrachten, die im strengen Antagonismus zur übrigen Existenz
steht. Durch vollkommen harmonischen Aufbau des Mandala, in dem nichts fehlt
und nichts überflüssig ist, wird er sich der verborgenen Bande bewusst, die
alle im Universum miteinander verbinden und vereinen.“
Für Menschen die in sich kein harmonisches Mandala aufbauen
können besteht die Gefahr das sich in ihrem Innern ein Labyrinth breit macht.
Das Labyrinth ist ein wirksames Bild für eine aus den Fugen geratene Welt, aber
auch für ein gespaltenes Leben. Es ruft die Mythe vom Labyrinth herauf, durch
König Minos von Kreta erbaut, um ein abstruses Monstrum den Blicken zu
entziehen, den Minotaurus, den Mann mit dem Stierkopf, den die eigene Gattin
des Minos zur Welt gebracht, nachdem die Götter sie mit Liebe zum heiligen
Stier geschlagen. Das Labyrinth, das Absurditäten verhüllt.
Das Labyrinth ist das Symbol der Bewusstseinsspaltung
wohingegen das Mandala ein Symbol der Ganzheit ist.
Der Weg zur Ganzheit besteht aus schicksalsmäßigen Um- und
Irrwegen. C.G. Jung nannte dies eine „sehr lange Strasse“, und sprach von einem
„Pfad, dessen labyrinthische Verschlungenheit des Schreckens nicht entbehrt“.
Auf diesem Weg erreichen uns jene Erfahrungen, die man „als schwer zugänglich“
bezeichnet, aber diese Erfahrungen müssen gemacht werden um eben die eigene
Ganzheit zu erreichen. Es ist der Weg des eigenen Lebens und Jung hat diesen
Lebensweg der zur „eigenen Mitte“ führt als Individuationsprozess bezeichnet:
die Suche nach dem noch nicht manifestierten
„ganzen Menschen, der zugleich der größere und zukünftigere ist“.
Was das Mandala für den Osten ist, dass ist das Labyrinth
für den Westen, hier zeigt sich schon die Spaltung und der Gegensatz von Orient
und Okzident.
In seinen Analysen der mediterranen Labyrinthmythologie
weist Michael Ayrton auf die Ähnlichkeit zwischen den vielen Windungen der
labyrinthischen Pfade und dem Aussehen der Eingeweide von Tieren oder Menschen
hin. Es gibt die Vermutung der Ursprung des Labyrinthmusters liege vielleicht
in den Windungen der Eingeweide von Tieren oder Menschen, aus denen in der
Antike, wie z.B. in Babylon, bei den alten Griechen und Etruskern geweissagt
wurde.