Zusammen
gehört Ganzes und Nichtganzes
Übereinstimmendes und Verschiedenes,
Einklang
und Dissonanzen, und aus Allem
wird
Eines und aus Allem
Eines.
Heraklit. Über die Natur
Für die Tiefenökologie ist
die mythologische Metapher von großer Wichtigkeit. Unsere lebendige
Erde ist ein Beweis dafür. Nach ihr ist Gaia ein lebendiges Wesen.
Die moderne Wissenschaft ist heute dem vorsokratischen Philosoph
Anaximander näher gerückt als Platon oder Aristoteles. Anaximander
sagte: „Woraus aber die Dinge ihre Entstehung haben,dahin geht
auch ihr Vergehen nach der Notwendigkeit. Denn sie zahlen einander
Strafe und Buße für ihre Ungerechtigkeit nach der Ordnung der
Zeit“.
Anaximander
ging davon aus, dass alles was wir der Natur entnehmen auch wieder
zurückgegeben werden muss. Nur so kann immer wieder neues Leben
entstehen. Er setzte als Urprinzip des Seins das Unbegrenzte, das
Unendliche, das Unbestimmte. Aus diesem Apeiron (Urstoff) entstehen
die Gegensätze in unendlicher Bewegung. Nachdem die Welt/Natur aus
einem Schöpfungsprozeß herausgetreten ist, gelangte sie
schrittweise dazu sich selbst zu regeln. Diesen Schöpfungsprozess
können wir mit dem Mythos des „Tanz der Gaia“ vergleichen.
Gaia die
in weiße Nebelschleier durch die Dunkelheit tanzt. Als sie sichtbar
wird formt sich ihr Körper zu Bergen und Tälern. Aus ihrem Schweiß
entstehen die Ozeane und den Himmel (Kosmos) legt sie als
Schutzhülle(Biosphäre) um sich. Heute wissen wir, dass Parallelen
existieren zwischen moderner Wissenschaft, Entstehungsgeschichte der
Erde und dem uralten Schöpfungsmythos von Gaias Tanz.
Der
„Erfinder“ der Tiefenökologie Arne Naess schrieb einmal: „Der
Unterschied zwischen der Ökologie und der Tiefenökologie ist
einfach der, das die Tiefenökologie tiefere Fragen stellt“.
Die
Ökologie berührt durch die Erfassung der Beziehungen des Menschen
zu seinem Lebensraum fast alle Wissensgebiete, sie ist keine
Einzelwissenschaft, obwohl sie eine Fülle von Einzelwissenschaften
heranzieht.
Die
Tiefenökologie versucht noch „tiefer“ in das Ganze einzudringen
und ist somit ein Gegengewicht gegen das einseitige, analytische,
sezierende Denken unserer Zeit.
Arne
Naees nannte dies die „Notwendigkeit der menschlichen
Selbtstverwirklichung“. Anstatt nur unser Ego zu pflegen sollen wir
lernen uns mit Bäumen, Pflanzen, Tieren und der ganzen Ökosphäre
zu identifizieren.
Ich
selbst habe die Erfahrung bei Vorträgen über Tiefenökologie
gemacht, das die Vertreter dieser Richtung gerne als „spirituelle
Spinner“ hingestellt werden. Dieses Denken der Gegner der
Tiefenökologie beginnt bei dem Hauptansatz der Tiefenökologie, das
die Erde als ein lebendes, geistiges Wesen gesehen wird.
In der griechischen
Mythologie ist Antaus der Sohn von Mutter Erde, sobald er die
Verbindung zu seiner Mutter verliert wird er vollkommen kraftlos,
steht er wieder mit ihr in Verbindung kehren seine Kräfte zu ihm
zurück. Eine weitere Allegorie ist der Mythos von Phaeton: Er maßte
sich an, den Wagen seines Vaters, des Sonnengottes zu lenken, verlor
die Herrschaft über die Pferde und steckte beinahe die Biosphäre in
Brand. Ist dies nicht der Zustand in dem die heutige Menschheit lebt?
Auch heute gibt es noch
genügend Menschen, die den Gedanken, der Mensch könnte jemals die
Macht haben, die gesamte Erdatmosphäre zu verunreinigen und
zerstören, in das Reich der Fantasie verweisen.
Da die Tiefenökologie sich
auf das Ganze bezieht, das ja bekanntlich mehr ist als die „Anzahl
seiner Teile“, ist sie in gewissen Sinne auch immer spirituell
(nicht mit Esoterik verwechseln) und somit ganzheitlich. Der
tiefenökologisch orientierte Mensch kann niemals ein
„Intellektueller“ sein, also ein Mensch dessen Wesen ganz auf den
Intellekt beschränkt ist. Der reine Intellekt, von der Wesenheit des
Menschen getrennt bedeutet dessen menschliche Verwahrlosung.
Ökologie und Tiefenökologie
verfolgen die gleichen Ziele, ein Leben in Harmonie mit der Erde.
So schreibt Fritjof Capra in
seinem Buch Lebensnetz meiner Meinung nach zu Recht:“Heutzutage
haben wir eine tiefenökologische Ethik bitter nötig, insbesondere
in der Wissenschaft, da das meiste, was die Wissenschaftler tun,
nicht lebensfördernd und lebenerhaltend, sondern lebenszerstörend
ist. Solange Physiker Waffensysteme konstruieren, die das Leben auf
diesem Planeten auszulöschen drohen, solange Chemiker die globale
Umwelt verseuchen, Biologen neue und unbekannte Arten von
Mikroorganismen freisetzen, ohne die möglichen Folgen in Betracht zu
ziehen, solange Psychologen und andere Wissenschaftler Tiere im Namen
des wissenschaftlichen Fortschritts foltern – solange all dies so
und nicht anders weitergeht, ist es von allerhöchster Priorität,
„öko-ethische“ Standarts in die Wissenschaft einzuführen“.
Dies
drückt aufs deutlichste aus, das die Zusammenhänge der ökologischen
Wahrnehmung der Welt und unserem Verhalten ihr gegenüber kein
logischer sondern ein psychologischer Zusammenhang ist.
Unser
Wirtschaftssystem ist für die Gegenwart und die Zukunft vollkommen
perspektivlos weil seine Grundlage Leistungssteigerung bis zum
Kollaps ist, es ist perspektivlos weil die Ressourcen begrenzt sind.
In einer von ökonomischen Machtansprüchen geprägten Gesellschaft
in welcher Ehrgeiz, Ellenbogenmentalität und Konsumsucht das
Fundament von Denken und Handeln bestimmen und von der Wirtschaft als
geradezu tugendhaft betrachtet wird muss die gesamte Natur leiden.
Die
Tiefenökologie ist wie die Ökologie oder der Bioregionalismus ein
Weg, den es sich zu gehen lohnt weil er nach Auswegen aus einer Krise
sucht.
Der
französische existenzialistische Philosoph Jean Paul Sarte erwähnte
in einem seiner Bücher das wir immer die Möglichkeit der freien
Wahl haben?
Eine
realistische Interpretation der Tiefenökologie wird immer das
Gefühlsleben des Menschen gegenüber seiner Mitwelt beinhalten. Der
Versuch die verlorene Einheit von Mensch und Natur wieder
herzustellen.
Vielleicht
ist das große Dilemma unserer Zeit einfach, dass wir unter
Naturvergessenheit leiden!
hukwa