Eine volkskundliche Suche über Ortsgrenzen hinaus.
Uns heute erscheint die magische Welt sogenannter primitiver
Völker als in sich geschlossen und wunderbar, aber wir können das Denken dieser
Völker überhaupt nicht mehr vollziehen. Für uns gibt es die Beseelung der
leblosen Natur nicht mehr. Seit Jahrtausenden erlebt die zivilisierte Welt eine
zunehmende Entmagisierung der Sprach- und Vorstellungswelt.
Wenn man sich der Herkunft sogenannter „Vegetationsfeste“
(Pfingstquak, Maibaum, Frühlingsfeste, alte Jahresfeste wie Johannistag
ect.) annähern will, wenn man sie
erforschen will, muss man das Problem der Bedeutung von Riten aufrollen.
Vegetationsfeste haben ihre Wurzeln in jenem Zeit und Raum
den wir das Neolithikum nennen und es handelt sich dabei ausschließlich um
Sexual- und Fruchtbarkeit Festlichkeiten.
Es dürfte eindeutig klar sein dass Vegetationsfeste wie z.B.
das Pfingstquak ihre Wurzeln nicht im Mittelalter haben, wie dies Helmut
Seebach in seinem Buch „Alte Feste in der Pfalz“ behaupten möchte. Einen sehr
guten Artikel zum Pfingstquak hat Adam Gerlach in den „Blättern zur Trippstadter
Heimatgeschichte“ geschrieben,
Wenn man die verschiedenen Deutungen der Heimatforscher über
Brauchtumsfeste gegeneinander hält, gewinnt man den Eindruck, das die
Brauchtumsforschung noch keineswegs abgeschlossen. Seit dem Erscheinen von Sir
James George Frazer Monumentalwerk „der
goldene Zweig“ ist die Brauchtumsforschung damit beschäftigt, das Wesen und die
Besonderheit dieser Feste zu ermitteln. Die meisten von Frazers Einzeltheorien,
wie die der Entwicklung von Magie und Religion und von Ursprung und Entwicklung
des Totemismus, sind heute nicht mehr haltbar. Aber die unglaubliche Fülle der
Fakten, die er ansammelte, bilden nicht nur ein beeindruckendes Monument,
sondern sind eine Sammlung volkskundlicher Schriften auf die wohl jeder
Volkskundler irgendwann zurückgreifen muss. Und es darf wohl Heute noch das
gelten was A.E.Housmann über den „goldenen Zweig“ in seiner Laudatio im Jahr
1921 sagte:
„Dort findet man Wissenschaft vermählt mit Literatur,
mühevolle Arbeit, mit leichter Hand präsentiert, und ein Museum voll dunklen,
geheimnisvollen Aberglaubens, ausgestattet mit dem Charme einer wahrhaft
sympathetischen Magie. Dort haben sie als Mahnung für eine stolze, vergessliche
Rasse die verstreuten, vergänglichen Relikte – ob nun unter wilden Völkern in fernen
Ländern oder unbeachtet vor unserer Tür liegend. Die vergessenen Meilensteine
der Landstrasse, auf der der Mensch gereist ist, die Labyrinthe und Irrwege
seines Fortschreitens durch die Zeiten werden durch ihre Kunst und ihren Genius
erhellt und die fernsten und ältesten Dinge den Sinnen und Herzen Ihrer
Zeitgenossen nahegebracht.“
Das Wissen dass Vegetationsfeste wie das pfälzische
Pfingstquak in ganz Europa gefeiert wurden verdanken wir Frazer, der solche
Brauchtumsfeste als erster Weltweit sammelt. Was beim Pfingstquak und ähnlichen
Vegetationsfesten im Lauf eines Jahreszyklus „zelebriert“ wird ist nichts
anderes als der „Mythos von Nemi“, der sich auch wie ein roter Faden durch den
„goldenen Zweig“ schlängelt.
Dieser Mythos betrifft die Regeln der priesterlichen
Nachfolge im geheiligten Hain der Diana in Nemi, in den Albaner bergen in
Italien. Der See (Nemi) und der Hain waren einmal bekannt als der See und der
Hain von Aricia, einer kleinen Stadt in etwa fünf Kilometer Entfernung von
Nemi. Der Priester – König dieses heiligen Hains steht unausgesetzt mit
gezogenem Schwert unter einem bestimmten Baum des Gehölzes; er ist immer auf
der Wacht. Er hatte dieses Amt errungen, nachdem er seinen Vorgänger mit einem
Schössling des Mistelzweigs ermordete, der hoch oben in dem Baum wuchs
(Anspielung auch auf den Vegetationsgott Baldur), und er ist seinerseits vom
Schicksal dazu bestimmt, durch einen erfolgreichen Herausforderer auf die
gleiche Weise hingerichtet zu werden. Er verteidigte sich nur solange erfolgreich
wie seine Wachsamkeit, sein Geschick und seine Stärke nicht nachließen. Sobald
seine Aufmerksamkeit erlosch, wurde er ermordet, und sein Mörder nahm seinen
Platz ein.
Der „Mythos von Nemi“ ist ein magischer Mythos. Nach Frazer
konnte Religion erst auftreten, nachdem der Mensch zu einem Zustand der höheren
Intelligenz fortgeschritten und in der Lage war, seine eigene Ohnmacht
gegenüber der Natur zu erkennen, also versuchte er die Natur Rituell zu
beeinflussen. Die frühen Stammesführer, Könige und Priester wurden mit
Naturkräften wie Wachstum und Fruchtbarkeit identifiziert. Aber auch mit Teilen
der Natur so mit Sonne, Mond und dem Wald. Der König Priester zu Nemie und auch
die heilige Diana galten als solche Naturgottheiten. Als Königin und König des
Waldes waren sie verantwortlich für das Wohl der Menschen, und ihre Vereinigung
war wesentlich für die Fruchtbarkeit der Erde, des Viehs und der Menschen.
Ein allgemeines Symptom für das Schwinden der Kraft des
Königs wurde im Nachlassen der sexuellen Kraft im Alter gesehen. Wenn das
Wohlergehen der Menschen in einer Gesellschaft, vom König abhing, so erwartete
man damals das dieser immer Zeugungsfähig ist, denn ist er dies nicht mehr dann
betrifft seine Entkräftung alle – vor allem aber die Natur. Die Tötung des
Königs von Nemi ist also nichts anderes als ein Opfer an Mutter Erde. Wenn man
den König aber tötete, bevor seine Kräfte nachzulassen begannen, dann konnte
seine Seele zur Zeit ihrer größten Kraft befreit werden und durch Vererbung
oder Übertragung in einen Nachfolger übergehen. Dies ist die Vorstellung die
hinter der Priester Nachfolge von Nemi steht.
Lit: Hinweise
James George Frazer: Der golden Zweig; Das Geheimnis von
Glauben und Sitten der Völker;
Abraham Kardinier; Edward Preble: Wegbereiter der modernen
Anthropologie;
Hans Wagner: Zeitschrift: Der Hain.