Samstag, 27. April 2019

Hephaistos - griechische Schmiedemysterien


Foto Schmiedefeuer©Hans Wagner

Der mythische Schmied bei den Griechen war Hephaistos. Er galt als Gott des Feuers und der Künste (Schmiedekunst), die zu ihrer Produktion des Feuers bedürfen. Er war ein Sohn des Zeus und der Hera. Seiner Hässlichkeit und Lahmheit wegen warf ihn seine Mutter vom Olymp ins Meer,
wo ihn Thetis aufnahm. Bei ihr errichtete er sich eine Schmiede und belohnte ihre Freundlichkeit indem er Thetis schöne Gegenstände schmiedete. Er fertigte wegen seiner Lahmheit zwei goldene, redende und sich bewegende Sklavinnen, auf die er sich stützte. Seiner Mutter schmiedete er einen goldenen Stuhl, von dem sie sich aber nicht erheben konnte, da kunstvolle Fesseln sie festhielten. Nur im Rausch, in den ihn Dionysos versetzt hatte, ließ er sich dazu bewegen, sie wieder zu befreien. Sich selbst und auch den anderen Göttern baute er kunstvolle eiserne Häuser. Dargestellt wurde er bärtig, mit Zange und Hammer, sein linkes Bein war verkürzt. Im Alter von neun Jahren versöhnte sich Hephaistos mit seiner Mutter Hera. Sie holte ihn zum Olymp zurück und errichtete ihm dort eine Schmiede mit mehreren Blasebälgen, die Tag und Nacht arbeiteten. Hera förderte seinen Wunsch Aphrodite zu heiraten. Zeus warf ihn ebenfalls aus dem Olymp weil Hephaistos gewagte hatte den höchsten der Götter zu Tadeln. Er stürzte auf die Insel Lemnos und brach sich beide Beine. Nun schmiedete er sich zwei goldene Krüken damit er wieder gehen konnte.
Ranke-Graves schreibt in seiner Griechischen Mythologie: „Es ist in verschiedenen Gebieten bis nach Westafrika und Skandinavien überliefert, dass der Schmiedegott hinkt; es könnte sein, dass in primitiven Zeiten die Schmiede absichtlich gelähmt wurden, damit sie nicht fortliefen oder sich feindlichen Stämmen anschlossen“ (3.).
Zu den Mysterien der Schmiedekunst gehörte auch der geheimnisvolle „Rebhuntanz“, dieser steht mit der „Lahmheit“ des mythischen Schmiedes in Verbindung. Ranke-Graves schreibt hierüber:
„...Denn Hephaistos, der Schmiedegott, heiratete Aphrodite, der das Rebhuhn geweiht war; die Schwester des Künstlers Daidalos hieß Perdix (Rebhuhn); die Seele des Talos, der auch ein Schmied war, entflog in der Gestalt eines Rebhuhns; ein Rebhuhn erschien beim Begräbnis des Ikaros, eines Sohnes des Daidalos. Hephaistos wurde vom Olymp, Talos von der Akropolis gestürzt. Hephaistos hinkte beim Gehen; ein Name des Talos war Tantalos („hinkend oder nachziehend); das Rebhuhnmännchen hinkt bei seinem Liebestanz und hält seinen Sporn zum Angriff auf den Rivalen bereit. Außerdem hinkte auch der lateinische Gott Vulkan (römischer Schmiedegott). Sein Kult wurde aus Kreta eingeführt, wo man ihn Velchanus nannte und ihm einen Hahn als Wahrzeichen gab“(4).
Das „Hinken“ der Schmiede kann auch eine ganz einfache Erklärung haben: Rückenschmerzen des Schmiedes, wer in seinem Arbeitsleben öfters am Amboß gearbeitet hat, weiß was ich meine. Wir wissen von den Hethitern dass sie das Geheimnis der Schmiedekunst wie ein Staatsgeheimnis hüteten, es könnnte also möglich sein, dass man bestimmte Schmiede die ihre Kunst besonders gut beherrschten bewusst ein Bein lähmte so dass diese das Land nicht verlassen konnten und ihr Können nicht weitergeben konnten. Es gibt ja auch den Mythos des „hinkenden Königs“ und dieser steht oft in Verbindung mit den Mysterien der Schmiedekunst. Der biblische Jakob der auch hinkte hatte etwas mit dem Kult des kentischen Schmiedegottes zu tun. Bei den Kenitern handelt es sich um einen nomadischen Stamm der in der Bibel erwähnt wird. Der Keniter Tubal-Kain war ein Enkel Kains. Man nennt ihn auch „Tubal den Schmied“, er gilt als Stammvater der Erzarbeiter und Schmiede.
Auch die Kabiren, die auf der Insel Lemnos lebten, die als Hephaistos und der Schmiedezunft Heimat galt, wegen der reichen Erzvorkommen dort, kannten einen mythischen Tanz. Diese mythischen Waffentänzer vertraten wohl eine Zunft, die die Techniken der Waffenherstellung und die Geheimnisse der Erzgewinnung bewahrten. Auch die Göttin Kybele die den Beinamen „erzgeschmiedet“ hatte, wird mit den mythischen Schmieden in Verbindung gebracht.
Man kann davon ausgehen dass die mythischen Schmiede tief in die alchemistischen Mysterien der Schmiedekunst eingeweiht waren. Und somit gehören sie in der Kulturgeschichte zu den „kulturbringenden Heroen“.
Erscheint doch manchem Schmied noch Heute Hephaistos als Personifikation des Feuers in der Schmiedeesse, das nach dem griechischen Philosophen Heraklit („alles fließt“) als Weltbestandteil des Wesens allen organischen Seins und somit letzten Endes auch der höchsten Vergeistigung ist.
So findet sich im Urtext der altgriechischen Orpheus Mysterien folgende Anrufung an den Hephaistos:

Dem Hephaistos
Ein Rauchopfer von Weihrauchmanna
Mutgewaltiger, mächtig an Kraft,
Hephaistos, unversiegliches Feuer,
Leuchtend von lodernden Flammen,
Urwesen, das dem Sterblichen glüht;
Lichtspender, kräftig an Faust,
Ewiger, Beleber der Kunst,
Werksfreudiger, Teil des Weltalls,
Unverwüstliches Element!
Alllverzehrer, Allbezwinger,
Allerhöchster, Allbeleber,
Äther, Helios, Sternenglanz,
Selene, lauteres Urlicht:
Denn des Hephaistos Glieder
Zeigt all dieses den Sterblichen.
Jedes Haus und jegliche Stadt,
Alle Völker besitzest du,
Du bewohnst den sterblichen Leib,
Segensreicher, Gewaltiger!
Seliger, höre mich an!
Dich zu den heiligen Opfern,
Auf das du immer friedlichen Sinns
Zu wohlgefälligen Werken kommst,
Stille die rasende Wut
des unbezwinglichen Brandes-
Dein ist in unseren Leibern
Die Verbrennung natürlicher Art. (6.)

Es ist das heraklitische Feuer dass hier besungen wird, dass dem Menschen die Schranken des Erdendaseins als unwesentlich erscheinen lässt.
Hephaistos Schmiedekunst ist in der Ilias wie folgend beschrieben:

Traun ja, so ist die erhabne, die edelste Göttin daheim mir,
Welche vordem mich gerettet im Schmerz des unendlichen Falles,
Als mich die Mutter verwarf, die entsetzliche! Welche mich Lahmen
Auszutilgen beschloß. Da duldet`ich Wehe des Herzens,
Hätt`Eurynome nicht und Thetis im Schoß mich empfangen,
Jene, des kreisenden Stroms Okeanos blühende Tochter.
Dort neun Jahre verweilt`ich und schmiedete mancherlei Kunstwerk,
Spangen und Ring`und Ohrgehenk, Haarnadeln und Kettlein,
Dort in gewölbeter Grott`; und der Strom Okeanos ringsher
Schäumte mit brausendem Hall, der unendliche; keiner der andern
kannte sie, nicht der Götter und nicht der sterblichen Menschen,
Sondern Thetis allein und Eurynome, die mich gerettet.
Diese besucht uns jetzo im Haus; und darum gebürt mir,
Froh der lockigen Thetis den Rettungsdank zu bezahlen.
Auf, nun reiche du ihr des Gastrechts schöne Bewirtung,
Während ich selbst die Bälge hinwegräum und die Gerätschaft.
Sprachs, und erhub sich vom Amboß das rußige Ungeheuer,
Hinkend, und mühsam strebten daher die schwächlichen Beine.
Abwärts legt`er vom Feuer die Bälg`und nahm die Gerätschaft,
Alle Vollender der Kunst, und verschloß sie im silbernen Kasten;
Wusch sich dann mit dem Schwamme die Hände beid` und das Antlitz,
Auch den nervichten Hals und den haarumwachsenen Busen,
Hüllte den Leibrock um und nahm den stämmigen Zepter,
Hinkte sodann aus der Tür, und Jungfraun stützten den Herrscher,
Goldene Lebenden gleich, mit jugendlich reizender Bildung:
Diese haben Verstand in der Brust und redende Stimme,
Haben Kraft und lernten auch Kunstarbeit von den Göttern,
Schräge vor ihrem Herrn hineilten sie; er nachwankend,
Nahte, wo Thetis saß, und ruht`auf schimmernden Sessel...“ (12.)

Über Hephaistos schrieb Herbert Read: „Das Urbild des Künstlers ist der heidnische Hephaistos oder V ulcanus, der schon deformiert geboren wurde, als Lahmer, als Hinkender- ein vom Olymp, Ausgeschlossener, ein typischer Outsider. Er ist unter den Bewohnern des Olymps der Geniale, und es ist bezeichnend, dass die Römer den Tempel der Concordis in dem Hain errichteten, der ihm heilig war. Aber noch bezeichnender für uns ist der Schild, den er für Achilles geschmiedet hat, denn in diesem begegnen wir der vollendeten Fähigkeit des Künstlers, Bilder der Ganzheit, Symbole der Liebe und Versöhnung zu schaffen“. (13.).

hukwa