Ich weiß, das ich hing,
am windigen Baum
neun Nächte lang,
mit dem Ger verwundet,
geweiht dem Odin,
ich selbst mir selbst,
an jenem Baum,
da jedem fremd,
aus welcher Wurzel er
wächst.
Sie spendeten mir
nicht Speise noch
Trank;
nieder neigt ich mich,
nahm auf die Runen,
nahm sie rufend auf;
nieder dann neigt ich
mich.
Zu wachsen begann ich
und wohl zu gedeihn,
weise ward ich da;
Wort mich von Wort
zu Wort führte,
Werk mich von Werk
zu Werk führte.
Aus der Edda
Die Esche kann bis zu 40
m hoch werden. Sie ist vor allem an den schwarzen , zwiebelspitzigen
Knospen, ihren gefiederten Blättern und der silbrigen bis asch –
grauen Rinde zu erkennen.
Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich über ganz Europa
bis nach Vorderasien. Wenn
viele unserer einheimischen Bäumen, schon ihr neues
Blattkleid tragen, trägt
die Esche oft noch kein einziges Blatt. Dies ist auf ihre Frost-
empfindlichkeit
zurückzuführen. Sie wartet ab bis auch tatsächlich kein Frost mehr
zu erwarten ist. Wohl
deshalb schrieb die Baum – und Kräuterkundige Hildegard v.
Bingen mit Recht : „ Sie
ist ein Sinnbild der besonnenen Einsicht „. Wenn sie dann im April
oder Mai ihre schwarzen Knospen sprengt , hängen kleine, violette
Blüten-
büschel heraus, die ihre
Bestäubung dem Wind anvertrauen. Bei der Esche gibt es
männliche,weibliche und
gemischt –geschlechtliche Bäume.
Das Holz der Esche ist
hart, zäh und besonders elastisch.Schon in der Antike verwandte man
es zur Herstellung von Handwaffen wie Armbrüste, Speere, Lanzen
und Bögen. Der bekannteste Eschenholzspeer ist der des Kentauren
Chiron.
Diese Sagengestalt halb
Mensch, halb Pferd bewohnte den sagenumwobenen Berg
Pelion in Thessalien. Auf
diesem heiligen Berg wuchsen die berühmten Eschen und
Eichen, eine davon fällte
Chiron und fertigte daraus jenen Speer, mit dem Achilles
Hektor besiegte.
Natürlich ist die Esche auch im Keltischen Baumalalphabet ver –
treten. „ Nion „
hießen Baum und Laut. Sie war eines der Symbole für Nacht und
Wasser. Was uns nicht zu wundern braucht, denn die Esche liebt
feuchte Standorte.
Die Eschen gaben den
Kelten Schutz vor der zerstörerischen Kraft der Wasser –
dämonen. Die Druiden
benutzten Eschenholz als Regenzauber. In der germanischen Mytologie
ist die Esche der wichtigste Baum – hier steigt sie zum Weltenbaum
empor. Ygdrasil-so wird die Esche in der germanischen Mytologie
genannt – ist der schönste aller Bäume und heiligste der
Germanen.Seine Zweige erstrecken sich über alle Welten hinaus und
erreichen den Himmel. Er hat drei Wurzeln die ihn aufrecht erhalten;
sie sind außergewöhnlich groß. Eine taucht in den Äsir, die
Unterwelt der Asen, der Götter hinunter, die zweite zu den
Frostriesen
den Vorgängern, der
Menschen, die dritte greift nach Niflheim, dem Reich der Toten. Bei
dieser letzteren Wurzel entspringt der Brunnen Hvergelmir, die Quelle
aller rauschenden Flüsse die, die Erde bewässern und sie für den
Menschen be –
wohnbar macht. Neben der
zweiten Wurzel sprudelt die Quelle von Mimir. Dem der
dort die Lippen netzt,
schenkt sie Wissen und Weisheit, aber ihr Besitzer, dessen Name „
Meditation „ bedeutet, hat es verboten, sich ihr zu nähern; er
selbst ist voll tiefsten Wissens, dass er täglich aus diesem Wasser
schöpft. Unter der ersten Wurzel, die der Überlieferung zufolge
entweder die unterirdische Behausung der Götter oder ihren
himmlischen Wohnort erreicht – die übrigens durch Bifrost, den
Regenbogen verbunden
werden-gibt es eine dritte Quelle, die heiligste von allen:
den Brunnen über den Urd
die älteste der Nornen wacht. Als Hüterinnen der Ge –
setze und alten Bräuche
sind nur die Nornen in der Lage, die Geschicke der Menschen und sogar
der Götter selbst zu lenken, die nicht ewig sind und dem Los, das
alle trifft, nicht entrinnen können. Ursprünglich war Urd, die
älteste unter ihnen, deren Name Schicksal bedeutet, wahrscheinlich
allein. Möglicherweise waren die Legenden von den drei spinnenden
Nornen, als sie uns erreichten, schon
von den Moiren ( dem
Personifizierten Schicksal ) und den Parzen der griechischen
und der römischen
Mytologie beeinflusst. Wie diese stellten auch jene die drei
Mondphasen-zunehmend-voll-abnehmend dar, deren Rhythmus das Leben der
Natur bestimmt und die auch den drei menschlichen Lebensaltern,
Jugend, Reife, Alter entsprechen. Jeden Tag schöpfen die Nornen aus
dem Brunnen Wasser und schlamm und begießen damit die Esche, damit
ihre Zweige weder vertrocknen noch
verfaulen. Was immer in
die Quelle fällt, wird so weiß wie das Häutchen im Innern der
Eierschale, das heißt, es kehrt zu seiner früheren Reinheit zurück,
zu seinem Vorgeburtlichem Ursprung.Dieses Makellose Weiß kleidet
auch das paar Schwäne, die die Quelle bewohnen und von denen die
Vögel dieses namens abstammen. Urds
Quelle ist also ein
Jungbrunnen. Bei ihr versammeln sich die Götter, um Rat zu halten,
Streitigkeiten zu schlichten und Recht zu sprechen.Dieser Schicksals
–
brunnen verkörpert die
Welt der Möglichkeiten, der Samen, der Keime, eine nächt-
liche Welt aus Wasser und
Erde , aus der alle Lebewesen hervorgegangen sind.
wenn es Ygdrasil dank
seiner Wurzeln den drei übereinandergeschichteten Reichen
dem der Götter, dem der
prähistorischen Riesen und dem der Vorfahren des Menschen gestattet,
an der Erdoberfläche zu erscheinen, so erstreckt sich der Stamm der
Esche, durch das Zwischen Himmel und Erde gelegene mittlere Gebiet
das Midgart, wo die
Menschen leben und ihr Wipfel erhebt sich bis zu Asgard, dem
Domizil der Götter. Trotz
seiner Mächtigkeit ist der Kosmische Baum stets bedroht.
Die riesige Schlange
Schlange Nioggrh nagt heimlich an der dritten Wurzel, wird aber
selbst Tag für Tag vom Adler angegriffen, der in seinen höchsten
Zweigen wohnt. Vier Hirsche kommen und gehen im Gezweige und fressen
die jungen Triebe
kaum das sie erschienen
sind. Ygdrasils Laub beherbergt noch weitere Tiere, die aber nützlich
sind, so die Ziege Heidrun, die mit ihrer Milch Odins Krieger ernährt
oder das Eichhörnchen
Ratatosk, das am Stamm hinauf und hinunterläuft und die
wechselseitigen
Auseinandersätzungen zwischen Schlange und Adler vermittelt.
Letzterer weiß viele Dinge und beobachtet von seinem hohen
Standpunkt aus den
Horizont, um die Götter
zu warnen, wenn ihre Uralten Widersacher, die Riesen, sich zum
Angriff anschicken.In manchen Versionen sitzt ein goldener Hahn im
Baumwipfel: er hat die selbe Aufgabe. Man könnte nicht,
bilderreicher Ausdrücken
, das die Welt der
Spielball in einem unablässigen Kampf zwischen den Mächten des
Lebens und deren Zerstörung ist.
Nun ist der Kosmische Baum
Heute aktueller denn je, denn gerade Heute, da die Katastrophale
Ausmaße des Waldsterbens nicht mehr zu übersehen sind, ist es für
die Menschheit wichtig,
wieder einen Bezug zu dem Wesen Baum aufzubauen. Und
die Esche ist in diesem
Sinne ein wirklicher Lebensbaum.
hukwa