Wenn ende Oktober bis Anfang November
der Raureif den Bergwald verzaubert, beginnt für den alten Keiler,
der hier lebt, die Rauschzeit. Die meiste zeit des Jahres lebt er als
Eremit in diesem großen Waldgebiet. Heimlich, scheu, unstet und
vorsichtig, durchstreift er seit Jahren schon die Wälder. Ruht heute
im Fichtendickicht, dann wieder im Schilf des großen Waldsees,
morgen im Getreidefeld am Waldrand. Der Alte ist schlau wie ein Fuchs
und ein erfahrener Waldgänger und Vorsicht ist sein oberstes Gebot,
sonst hätte der Jäger ihn längst schon erwischt. Neben dem alten
Platzhirsch ist er der „zweite König“ des Bergwaldes.
Schon Anfang September legt er sich den
sogenannten Schild zu, eine von der Schultergegend bis zu den letzten
Rippen reichende, mehrere Zentimeter dicke, derbe Platte, die durch
Wucherungen des Bindegewebes entsteht. Diesen Schutzschild verstärkt
der Alte noch dadurch das er sich regelmäßig an harzigen Bäumen
reibt und deren Harz an sich „schmiert“.
Wenn es auf ende Oktober zugeht dann
gibt er sein Einzelgängertum auf und erscheint plötzlich bei den
Rotten der Bachen und Jungtiere. Den zwei bis dreijährigen Keilern
die sich bei den Rotten befinden gibt er mit groben Püffen zu
verstehen, dass sie jetzt besser verschwinden sollen.
Seine „Waffen“ sind seine
scharfkantigen Eckzähne des Unter- und Oberkiefers, sie sind seine
wirkungsvollsten - wie der Name schon sagt – Waffen. Taucht nun ein
anderer Keiler auf dann geht es ums Ganze. Kopf – gegen Kopfseite
oder Kopf – gegen Körperseite versuchen sich nun die Keiler mit
blitzschnell von unten nach oben geführten Schlägen zu verwunden.
In der Regel werden diese Angriffe mit den Waffen des Gegners
abgefangen oder sie treffen die unverwundbare Schilde. Natürlich
fließt dabei der Schweiß, so nennt man das Blut der Wildschweine.
Über tödliche Ausgänge bei solchen Kämpfen berichtet lediglich
das phantasievolle Jägerlatein. Irgendwann räumt der Schwächere
das Feld.
Nach der Paarung zieht sich der Alte
wieder in sein Eremitendasein zurück, alte Keiler lieben die Ruhe
über alles. Nichts ist dem Alten vom Bergwald so zuwider, wie
führende Bachen mit Frischlingen oder dass unbekümmerte Treiben in
den Überläufer Rotten.
Jetzt bleibt er den Tag über wider in
seiner Deckung und scheut in den Nächten das Büchsenlicht. Oft
schiebt er sich dicht am rand einer Deckung ein. So kriegt er immer
frühzeitig mit wenn er umstellt wird, und kann sich dann rasch in
Sicherheit bringen.
Solch alte Keiler bleiben auch bei
Mondlicht stets im Mondschatten, sie sind eben clevere alte Burschen.
hukwa