Ich brauche nicht unbedingt das
Meer oder die großen Flüsse und Ströme, mir genügen die kleinen Bäche unserer
heimischen Wälder und Gebirge. Sie sind nie gleich. Jeder von Ihnen hat seine
eigene Wesensart, jeder seine sichtbaren und unsichtbaren Bewohner. Jeder Bach
hat, wie der Mensch auch, einen Körper und eine Seele, ja die Bäche haben sogar
Geist! Es gibt keine unbelebte Natur.
Ist das Ufer der Körper, so ist
das Wasser die Seele und über den Wassern singt der Geist der unruhigen Bäche.
Das Wasser ist auch ein grandioser Künstler, es formt die Ufer der Bäche zu
lebendigen Kunstwerken.
Entlang der Wasserläufe gibt es
viel zu sehen und zu staunen. Das geschmeidige Gefieder des Eisvogels blitzt im
Düster des Waldes kurz auf, bevor er sich ins Wasser stürzt. Die Wasseramsel
gleitet geschickt über der Strömung. Moose, Flechten, Farne, manchmal eine
Orchidee verzaubern das Ufer. Wie Trolle und Kobolde ragen abgestorbene Äste
und Baumstümpfe aus dem eiskalten Wasser. Verwitterte alte Kopfweiden nicken
mir zu, majestätische alte Eiben und Pappelbäume erzählen ihre eigene
Geschichte. In ausgewaschenen Sandsteinhöhlen verstecken sich Molche und
Schnecken. Wie von Sinnen tanzen Mücken und Libellen über dem kühlen Nass.
Elegant gleitet die Bachforelle gegen die Strömung.
Am liebsten lausche ich den
Liedern der Bäche am frühen Morgen oder in der Abenddämmerung. Es scheint mir,
als singen die Bäche um diese Zeit besonders lieblich. In einem gemeinsamen
Konzert mit der sie umgebenden beseelten Natur. Hier spüre ich es dann sehr
stark, in der Natur gibt es nichts erstarrtes, nichts robotisches, nichts
uniformiertes, die Natur kennt keine Tristesse. Ist der See und der Weiher das
Auge der Altmutter, dann sind die Bäche die Venen und Adern von Mutter Erde.
Meist folge ich den Wassern bis zu
ihrer Quelle und ich vergleiche die Bäche mit den Menschen. Menschen haben
Gemeinsamkeiten mit Wasserläufen, allerdings sind ihre Quellen meistens
verborgen, bei manchen sogar verkarstet. So, wie die Bäche in die großen Flüsse
und Ströme münden, wie sie rauschend von ihren starken Geschwistern empfangen
werden, so ist auch der Mensch ein Empfangender der göttlichen Intuition, der
wir in der freien Natur am nächsten sind. Wie die Wasser der Bäche unermesslich
sind, so spüren wir manchmal, wenn wir bei unserm Freund dem Bach verweilen,
dass auch in uns etwas unermessliches wohnt. Meistens wollen wir es nicht
wahrhaben, doch wer den Wassern lauscht, hört die murmelnde Urmutter!
hukwa