Montag, 23. April 2012

Gedanken zu einem alten Steinrelief bei der Burg Wilenstein in Trippstadt


Das alte Steinrelief bei der Burg Wilenstein gibt dem Heimatforscher und Heimatkundler Rätsel auf. Wer hat es in die Felswand gehauen? Ist es ein frühzeitliches Kultrelief? Stammt es aus der Keltenzeit? Besteht ein Bezug zur Burg Wilenstein (was man nicht ausschließen darf) oder hat es ein abergläubischer Mensch vor hundert oder zweihundert Jahren in die Felswand geschlagen? Wahrscheinlich werden wir nie erfahren warum dieses „Gesicht“ dort angebracht wurde. Doch die Aufgabe des Heimatkundlers ist nun einmal den Dingen auf den Grund zu gehen und bei einer solch rätselhaften Angelegenheit steht am Anfang einfach einmal die Vermutung, die These. 
Bis in die jüngste Zeit sind volkstümlicher Aberglaube und volkstümliche Bräuche ein integraler Bestandteil des ländlichen Lebens in allen seinen materiellen und sozialen Aspekten gewesen und haben hieraus ihren funktionalen Sinn und Wert bezogen. Es waren mehr als bloße Überbleibsel untergegangener archaischer Denksysteme.  Im Gegenteil: Ebenso wie ein im Mittelalter geformtes Werkzeug noch im 19.Jahrhundert den Bedürfnissen eines Handwerkers genügen konnte, war der eine oder andere alte Brauch oder Aberglaube auch noch von Bedeutung für seine Hoffnungen, Ängste oder Bedürfnisse. 
Die Vermischung christlicher Lehren mit Elementen eines aus einer vorchristlichen Phase oder einer nichtchristlichen Kultur stammenden Aberglaubens war im Grunde unvermeidlich, und schon die Missionare selbst begannen damit: Statt die althergebrachten Bräuche ganz zu zerstören, versuchten sie in der Regel eher,, sie in das Christentum zu integrieren, indem sie ihnen eine für die Kirche akzeptablere Deutung gaben.
In allem Lebendigen wirkt das, was einst war, stetig weiter und geht damit als ein Element in jede Gegenwart ein. Insofern bleibt die Vergangenheit auch dann lebendig, wenn sie dem Bewusstsein entglitten ist. Unser geschichtliches Wissen gründet sich nur zu einem geringeren Teil auf unmittelbare Überlieferung. Meistens musste der Mensch es sich erst aufs neue erobern, nachdem es lange schon verschüttet gewesen war. Immer wieder hat man versucht dieses Dunkel „vor der Geschichte und aus der Geschichte ,“ zu erhellen. Auch dann wenn zwischen unserem Dasein und der fernen Vergangenheit keine Verbindung erkennbar ist, scheint uns ihre einstige Wirklichkeit mit unserer eigenen Existenz verknüpft zu sein: sei es auch nur in dem Sinne, dass in ihr eine Möglichkeit alles Menschlichen Gestalt gewonnen hat, die wir dann auch in uns wiederfinden.
Womit wir bei der ätiologischen Überlieferung sind. Die ätiologische Sage liefert eine „Erklärung“ für die Entstehung oder Herkunft eines augenfälligen Wahrzeichens der örtlichen Umgebung, eines Ortsnamens oder eines überlieferten Brauchs. Sie versucht auch die Elemente einer Landschaft volkstümlich zu deuten, die einer Erklärung für den Menschen bedürfen. Für Trippstadt wäre eine solche Sage „das Ritterfräulein und der junge Schäfer“, die im Karlstal und dem Aschbacherhof spielt und die Legende des „Felsenweibes aus dem Karlstal“. Beide Erzählungen haben das „steinige Karlstal“ und die „Einsiedlerhöhle“ als hervorragendes Element dieser Landschaft in ihrem Mittelpunkt.
Einige ätiologische Sagen lassen sich auf Grund von Angaben in schriftlich überlieferten Quellen wie Chroniken oder Lebensbeschreibungen von Heiligen oder etwa auf Grund des erstmaligen Vorkommens eines unverwechselbaren Ortsnamens, der sich auf bestimmte Erzählungen bezieht, eindeutig als mittelalterlichen Ursprungs erkennen (z.b.Ritterfräulein und junger Schäfer).
Nicht nur auffällige landschaftliche Merkmale, sondern auch einzelne Bäume, Pfade, Kreuzungen (z,b. in dem Märchen: die Mutprobe von Trippstadt), Felder und Teiche können Gegenstand solcher Erzählungen sein; unter den Gebäuden sind es vorwiegend diejenigen, die im Gemeindeleben eine zentrale Rolle spielen – Kirche, das Gasthaus, das Herrenhaus (Drückemännche)- sowie diejenigen, die das eine oder andere außergewöhnliche architektonische Kennzeichen aufweisen (hier: alter Turm auf dem Aschbacherhof- eingemeißelter Hirtenstab und Flöte).
Alles, was den Blick auf sich zieht- von einer unleserlichen Grabinschrift bis zu einer seltsamen Erscheinung an einem Gebäude- kann Neugier und Phantasie anregen und somit zur Entstehung einer Sage beitragen. In den Erzählungen kann das Übernatürliche eine Rolle spielen, ebenso gut können sie aber auch jene vereinfachte Darstellungen, der nationalen und regionalen Geschichte verkörpern, die im kollektiven Gedächtnis fortlebt. Oder sie können sich mit alltäglichen Erscheinungen auseinandersetzen, mit Morden, Wilddieben, Schmugglern, mit vergrabenen Schätzen (Wilenstein) oder allbekannten lokalen Gestalten (Langensohler Märchen). 

 
Des Rätsels Lösung?

Ich habe lange Zeit nach Überlieferungen gesucht, die mir den Sinn des „steinernen Gesichts“ von Burg Wilenstein erklären konnte. In Trippstadt wurde ich nicht fündig, doch habe ich solche primitive „Fratzen“ schon öfters in der Pfalz gesehen. Meines Erachtens kann es sich nur um einen sogenannten „Abwehrkopf“ oder „Neidkopf“ handeln.
Abwehrköpfe sind in unserer Gegend weniger bekannt. Es gibt sie aber schon seit vorchristlichen Zeiten, in vielen Teilen Deutschlands finden wir sie vereinzelt, meistens in Holzbalken geschnitzt oder in Steine oder Felsen gehauen. Es handelt sich hierbei um Abwehrdämonen. Ihre Anfänge liegen mindestens in keltischer Zeit. Die Kelten betrieben einen religiösen „Kopfkult“. Sie brachten an ihren späteren Kultbauten Steinköpfe an. Dieser Brauch blieb so stark im Volk verwurzelt, dass in den ehemaligen Keltengebieten, wozu auch unsere Gegend zählt, an Felsen, Burgen oder Steinen diese „Abwehrköpfe“ weiterhin angebracht wurden.
Seit dem Mittelalter (der Brauch hat überlebt) nennt man sie auch „Neidköpfe. Der Name kommt vom althochdeutschen Begriff Nid, der Hass, Zorn oder Neid bedeutet. Der starre Blick dieser Gebilde soll die Menschen vor Neid Verwünschungen und bösen Geistern bewahren. Vor allem in der alemannischen Fasnacht hat sich der Brauch von „Neidköpfen“ bis heute erhalten.
Man ließ auch Menschen auf diese steinernen Gesichter schwören da man davon ausging, dass Steine ewig halten, so sollte auch der Schwur ein Leben lang gültig sein.
Nun muss unser „Wilensteiner Gesicht“ nicht aus der Keltenzeit stammen, vielleicht ist es gerade einmal 100 oder 200 Jahre alt, aber die Wurzeln führen eindeutig in keltische Zeiten zurück. 
hukwa