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Wenn man intensiver über alte
Frühlingsbräuche forscht kommt man James George Frazer und seinem
Monumentalwerk der „Goldene Zweig“ nicht vorbei. Dieses Werk ist
eine volkskundliche Odyssee, ein Nachschlagewerk auf das heute noch
jeder Volkskundler zurückgreift.
Forscher wie Frazer aber auch Mannhard
schenkten ihre besondere Aufmerksamkeit den mit dem Ackerbau
zusammenhängenden Fruchtbarkeitsbräuchen. Hier vermuteten sie die
Überreste alter kelto-germanischer Fruchtbarkeitskulte. Daher ist es
wohl angebracht anhand einiger aus diesem Bereich entlehnten
Beispielen das Frühlingsbrauchtum zu untersuchen. Dieses hat seine
Wurzeln in heidnischen Zeiten. Doch die Vermischung mit christlichen
Lehren, vor allem Elementen aus dem katholischen Glauben war
unvermeidlich. Statt die althergebrachten Bräuche ganz zu zerstören
versuchte die katholische Kirche sie in ihre Lehre zu integrieren. So
wurde aus dem altgermanischen Julfest unser Weihnachtsfest aber auch
Ostern, Allerheiligen und andere Jahresfeste wurden von der Kirche
unterwandert. Auch die Quellen und Brunnen wurden mit christlichen
Heiligen in Verbindung gebracht obwohl diese bereits heidnische
Kultorte waren. Johannes der Täufer wurde zu einer auf die
Sommersonnenwende bezogenen Gestalt.
Uns heutigen erscheint die magische
Welt sogenannter primitiver Völker als eine in sich geschlossene
aber nicht mehr erfahrbare Einheit. Wir können das Denken dieser
Völker überhaupt nicht mehr nachvollziehen und doch begegnen wir
immer wieder den alten Mythen die sich verkleidet auch heute noch in
einigen meist ländlichen Brauchtumsfesten verstecken. Das beste
Beispiel hierfür ist der Fasching der ja in seinen Wurzeln ein
Frühlingsfest ist nämlich dass der Winteraustreibung. Je tiefer man
nun in diese Welt des alten Brauchtums, der Mythen und Jahresfeste
vordringt desto tiefer treten wir in eine Welt des Traumhaften und
Imaginativen ein in der Kausalgesetze keine Gültigkeit haben. Ob
Frühlingsfest, Ostern, Maifest oder Pfingsten die volkskundliche
Forschung will immer zur Urform des jeweiligen Festes vorstoßen. So
führen Nachforschungen bis in die Zeit des Neolithikums zu einer auf
dem Matriachat aufgebauten ackerbauenden Gesellschaft. Seit
Jahrhunderten erlebt unsere zivilisierte Welt eine Entmagisierung der
Sprach und Vorstellungswelt. Für den modernen Menschen gibt es die
Beseelung der Natur nicht mehr. Für unsere Vorfahren aber war die
ganze Natur ein einziger beseelter und organischer Kreislauf. Über
dieses Heidentum schrieb Jacques Brosse in seinem Buch „Mythologie
der Bäume“: „Ein komplexes und differenziertes kosmologisches
System, das sich auf die Vielfalt und auf gegenseitige Ergänzung
gründete, das System des „Heidentums“ wurde durch einen
dogmatischen, intoleranten und manichäischen Monotheismus
verdrängt.“.
Der Glaube an den
einen Weltenherrscher, der aus irgendeinem Himmelreich die Welt
regiert, die ihm untertan ist, verdunkelte schließlich das Bild der
alten Erdmutter, die- wie ein pflanzliches Wesen in der Natur lebt
und sich um ihre Kinder sorgt die von dieser Natur leben.
Ein altes
pfälzisches Brauchtumsfest ist der Pfingsquark der in verschiedenen
Gegenden der Pfalz jeweils am Pfingstmontag gefeiert wird. Der
„Quackreiter“ soll einen Fruchtbarkeitsdämon darstellen, den man
ins Dorf holt und der dafür sorgen soll dass die Ernte reichhaltig
ausfällt und das Vieh in den Ställen gesund bleibt. Die Gaben der
Bauern und Dorfbewohner an den Quackreiter sind somit Opfer damit der
Dämon der Ernte günstig sei. Das Quackfest findet in den
pfälzischen Dörfern frühmorgens gegen 6 Uhr seinen Höhepunkt (in
heutiger Zeit etwas später). Bereits am Pfingstsonntag versammelt
sich die männliche (nicht mehr berufschulpflichtige) Jugend des
Dorfes im Wald an einem bestimmten Platz, um aus Ginsterbüschen und
Laubzweigen den „Quack“, eine Art Gestell, das dann noch mit
Wildblumen ausgeschmückt wird, anzufertigen. Nach dem Abendessen
treffen sich die jungen Leute an gleicher Stelle wieder, tragen Holz
und Reiser herbei und zünden ein Feuer an. Einige bringen dann
Kisten mit Bier herbei oder ein Bierfass das über die Nacht
getrunken wird. Dann bringt man ein Pferd herbei dem man das
geschmückte Gestell, den „Quack“ aufzäumt. Der „Quackbube“
setzt sich in diesen Quack und reitet, begleitet von der munteren
Schar ins Dorf. Hier stimmen die jungen Leute nun folgendes Lied an:
„Quack,
Quack, Quack
siwwe Eiser sin
geback
siwwe sin gesore
der Quack,Quack
soll gut gerore.
Stab aus, Stab aus
Im Winter geht de
Jäger aus.
Feier in den Blume
Bringt eh gure
Summe
Ri, ra, ro
Heit iwwers Johr
simmer wirrer do
Und als die Nacht
geendet
war die Finsternis
vorbei
wacht alles was am
Abend spat
zu seiner Ruh
geeilt.
Hört die Schlissel
klingele
s werd uns ebes
bringele
Ri ra ro
Heit iwwers Johr
simmer wirrer do.“
Dieses Lied wird in
jedem Winkel des Dorfes gesungen, während einige der Quackbegleiter
Eier, Speck oder auch Geld sammeln. Rührt sich in einem Haus niemand
werden die Leute wach geklopft. Ist der Umzug zu Ende, wird gemeinsam
in die Kneipe gezogen, getrunken und Eier und Speck verzehrt.
Beim pfälzischen
Pfingsquack haben wir es mit der Nachahmung eines wohltätigen
Vegetationsgeistes zu tun. Im „Goldenen Zweig“ führt Frazer
einige solcher Beispiele an. Er schreibt von Pfingstkönig, Maikönig,
Pfingstlümmel, Blattmännchen, Blattkönig genannt. Man findet also
„Ausleger“ des pfälzischen Pfingstquack in ganz Europa. Einige
Beispiele:
„In Fricktal in der Schweiz gehen
die Knaben zu Pfingsten in den Wald und hüllen einen von ihren
Gefährten in belaubte Zweige. Er wird der Pfingstlümmel genannt und
zu Pferde, mit einem grünen Zweig in der Hand, ins Dorf
zurückgeführt. Am Dorfbrunnen wird haltgemacht, und der
blättergeschmückte „Lümmel“ wird vom Pferde geholt und in den
Trog getaucht. Damit erwirbt er das Recht jedermann mit Wasser zu
bespritzen, und er übt dieses Recht besonders an Mädchen und
Strassenjungen aus. Die Jungen und Mädchen marschieren in Trupps vor
ihm her und bitten ihn, er möchte ihnen eine Pfingstdusche geben“.
Man könnte diesen
Vorgang auch als „Pfingsttaufe“ bezeichnen.
„In Ruhla (Thüringen) versammeln
sich, sobald die Bäume im Frühling grün werden, des Sonntags die
Kinder und gehen in die Wälder hinaus, wo sie einen ihrer Gespielen
dazu bestimmen, das „Blattmännchen“ zu sein. Sie brechen Zweige
von Bäumen und winden sie um das Kind, bis nur noch seine Schuhe aus
dem Blättermantel hervorlugen. Es werden Löcher hineingemacht zum
Durchsehen, und zwei der Kinder führen das Blättermännchen, damit
es nicht stolpert oder fällt. Singend und tanzend führen sie es von
Haus zu Haus und bitten um Gaben in Gestalt von Eiern, Sahne, Wurst
und Kuchen. Endlich besprengen sie den Blättermann mit Wasser und
tun sich gütlich an dem, was sie eingeheimst haben.
Was an solchen
„Bettelgängen“ immer wieder auffällt ist das Sammeln von Eiern.
Diese waren früher als auch heute in jedem Haushalt vorhanden sie
sind aber auch Teil eines Fruchtbarkeitsrituals. Das Ei ist ein
Symbol der Erneuerung des Lebens und es ist in dieser Bedeutung in
den ältesten Kulturen bezeugt.
Weiter
berichtet Frazer: „Im Fricktal in der Schweiz, wird ein
ähnliches Flechtwerk aus Zweigen der „Pfingstkorb“ genannt.
Sobald die Bäume zu knospen beginnen, wird eine Stelle im Wald
ausgewählt, und hier machen die Dorfburschen in alller Heimlichkeit
den „Korb“, damit nicht andere ihnen zuvorkommen. Belaubte Zweige
werden um zwei Reifen gewunden, deren einer auf der Schulter
desjenigen, der den Korb tragen soll, ruht,während der andere um
seine Waden gelegt ist. Man macht Löcher für Augen und Mund, und
ein großer Blumenstrauss krönt das ganze. In dieser Vermummung
erscheint er plötzlich im Dorfe zur Vesperzeit. Vor ihm marschieren
drei Knaben, die auf Hörnern aus Weidenrinde blasen. Das große Ziel
seiner Anhänger ist, den Pfingstkorb auf dem Dorfbrunnen
aufzustellen und ihn sowie seinen Träger dort zu halten, trotz der
Anstrengungen der Burschen aus den Nachbardörfern, die versuchen den
Pfingstkorb fortzutragen und auf ihren eigenen Brunnnen
aufzustellen.“
Frazer
schreibt hierzu: „Häufig ist das in Blättern gehüllllte
Geschöpf unter dem Namen König oder Königin bekannt....Dieser
Titel bedeutet wie Mannhardt bemerkt, dass der in der Vegetation
verkörperte Geist ein
Herrrscher ist, desen schöpferische Kraft weit verbreitet ist.“
Natürlich
wurden jegliche Art von heidnischen Festen von der Kirche aufs
häufigste verdammt. So schrieb im Jahre 1698 Pfarrrer Geysel aus dem
Holzland: „Abgesehen von anderen haarsträubenden
Gattungen und Arten von Aberglauben, über die ich schweigen will,
wird die Feier der vier Samstage nach Weihnachten, Ostern, Pfingsten
und Johannistag festgehalten. Man hält dafür, durch einen solchen
Aberglauben Hagelschäden von sich abzuwenden und solches ist ein
sehr hartnäckiger Irrtum gewesen. Ich bin mit Gottes Hilfe diesem
beizeiten entgegengetreten, sobald ich davon Kenntnis erhielt und
habe solche Gebräuche ausgerottet“.
Letztlich konnte
die Kirche die althergebrachten Bräuche nicht rigoros beseitigen, so
dass sie sich schließlich genötigt sah, die heidnischen Riten
zumindest teilweise in ihr Brauchtum zu integrieren.
©hukwa
Lit.Hinweise: Ernst Christmann: Pfälzer
Frühlingsbräuche.
J.G.Frazer: Der Goldene Zweig.
Wilhelm Mannhardt: Mythologische
Forschungen.
Wilhelm Mannhardt: Feld und Waldkulte.
Jacques Brosse: Mythologie der Bäume.
Hans Wagner: Der pfälzische
Pfingstquack und seine Wurzeln im Hain der Diana von Nemi.
Heinz Friedel: Chronik von Schopp.
Otto Wenz: Zur Volkskunde des Pfälzer
Holzlandes.