Sonntag, 17. März 2019

Über die Wurzeln des pfälzischen Pfingstquack im Vergleich zu europäischen Frühlingsbräuchen


Foto©Hans Wagner

Wenn man intensiver über alte Frühlingsbräuche forscht kommt man James George Frazer und seinem Monumentalwerk der „Goldene Zweig“ nicht vorbei. Dieses Werk ist eine volkskundliche Odyssee, ein Nachschlagewerk auf das heute noch jeder Volkskundler zurückgreift.
Forscher wie Frazer aber auch Mannhard schenkten ihre besondere Aufmerksamkeit den mit dem Ackerbau zusammenhängenden Fruchtbarkeitsbräuchen. Hier vermuteten sie die Überreste alter kelto-germanischer Fruchtbarkeitskulte. Daher ist es wohl angebracht anhand einiger aus diesem Bereich entlehnten Beispielen das Frühlingsbrauchtum zu untersuchen. Dieses hat seine Wurzeln in heidnischen Zeiten. Doch die Vermischung mit christlichen Lehren, vor allem Elementen aus dem katholischen Glauben war unvermeidlich. Statt die althergebrachten Bräuche ganz zu zerstören versuchte die katholische Kirche sie in ihre Lehre zu integrieren. So wurde aus dem altgermanischen Julfest unser Weihnachtsfest aber auch Ostern, Allerheiligen und andere Jahresfeste wurden von der Kirche unterwandert. Auch die Quellen und Brunnen wurden mit christlichen Heiligen in Verbindung gebracht obwohl diese bereits heidnische Kultorte waren. Johannes der Täufer wurde zu einer auf die Sommersonnenwende bezogenen Gestalt.
Uns heutigen erscheint die magische Welt sogenannter primitiver Völker als eine in sich geschlossene aber nicht mehr erfahrbare Einheit. Wir können das Denken dieser Völker überhaupt nicht mehr nachvollziehen und doch begegnen wir immer wieder den alten Mythen die sich verkleidet auch heute noch in einigen meist ländlichen Brauchtumsfesten verstecken. Das beste Beispiel hierfür ist der Fasching der ja in seinen Wurzeln ein Frühlingsfest ist nämlich dass der Winteraustreibung. Je tiefer man nun in diese Welt des alten Brauchtums, der Mythen und Jahresfeste vordringt desto tiefer treten wir in eine Welt des Traumhaften und Imaginativen ein in der Kausalgesetze keine Gültigkeit haben. Ob Frühlingsfest, Ostern, Maifest oder Pfingsten die volkskundliche Forschung will immer zur Urform des jeweiligen Festes vorstoßen. So führen Nachforschungen bis in die Zeit des Neolithikums zu einer auf dem Matriachat aufgebauten ackerbauenden Gesellschaft. Seit Jahrhunderten erlebt unsere zivilisierte Welt eine Entmagisierung der Sprach und Vorstellungswelt. Für den modernen Menschen gibt es die Beseelung der Natur nicht mehr. Für unsere Vorfahren aber war die ganze Natur ein einziger beseelter und organischer Kreislauf. Über dieses Heidentum schrieb Jacques Brosse in seinem Buch „Mythologie der Bäume“: „Ein komplexes und differenziertes kosmologisches System, das sich auf die Vielfalt und auf gegenseitige Ergänzung gründete, das System des „Heidentums“ wurde durch einen dogmatischen, intoleranten und manichäischen Monotheismus verdrängt.“.
Der Glaube an den einen Weltenherrscher, der aus irgendeinem Himmelreich die Welt regiert, die ihm untertan ist, verdunkelte schließlich das Bild der alten Erdmutter, die- wie ein pflanzliches Wesen in der Natur lebt und sich um ihre Kinder sorgt die von dieser Natur leben.
Ein altes pfälzisches Brauchtumsfest ist der Pfingsquark der in verschiedenen Gegenden der Pfalz jeweils am Pfingstmontag gefeiert wird. Der „Quackreiter“ soll einen Fruchtbarkeitsdämon darstellen, den man ins Dorf holt und der dafür sorgen soll dass die Ernte reichhaltig ausfällt und das Vieh in den Ställen gesund bleibt. Die Gaben der Bauern und Dorfbewohner an den Quackreiter sind somit Opfer damit der Dämon der Ernte günstig sei. Das Quackfest findet in den pfälzischen Dörfern frühmorgens gegen 6 Uhr seinen Höhepunkt (in heutiger Zeit etwas später). Bereits am Pfingstsonntag versammelt sich die männliche (nicht mehr berufschulpflichtige) Jugend des Dorfes im Wald an einem bestimmten Platz, um aus Ginsterbüschen und Laubzweigen den „Quack“, eine Art Gestell, das dann noch mit Wildblumen ausgeschmückt wird, anzufertigen. Nach dem Abendessen treffen sich die jungen Leute an gleicher Stelle wieder, tragen Holz und Reiser herbei und zünden ein Feuer an. Einige bringen dann Kisten mit Bier herbei oder ein Bierfass das über die Nacht getrunken wird. Dann bringt man ein Pferd herbei dem man das geschmückte Gestell, den „Quack“ aufzäumt. Der „Quackbube“ setzt sich in diesen Quack und reitet, begleitet von der munteren Schar ins Dorf. Hier stimmen die jungen Leute nun folgendes Lied an:

Quack, Quack, Quack
siwwe Eiser sin geback
siwwe sin gesore
der Quack,Quack soll gut gerore.

Stab aus, Stab aus
Im Winter geht de Jäger aus.
Feier in den Blume
Bringt eh gure Summe

Ri, ra, ro
Heit iwwers Johr simmer wirrer do

Und als die Nacht geendet
war die Finsternis vorbei
wacht alles was am Abend spat
zu seiner Ruh geeilt.

Hört die Schlissel klingele
s werd uns ebes bringele

Ri ra ro
Heit iwwers Johr
simmer wirrer do.“

Dieses Lied wird in jedem Winkel des Dorfes gesungen, während einige der Quackbegleiter Eier, Speck oder auch Geld sammeln. Rührt sich in einem Haus niemand werden die Leute wach geklopft. Ist der Umzug zu Ende, wird gemeinsam in die Kneipe gezogen, getrunken und Eier und Speck verzehrt.

Beim pfälzischen Pfingsquack haben wir es mit der Nachahmung eines wohltätigen Vegetationsgeistes zu tun. Im „Goldenen Zweig“ führt Frazer einige solcher Beispiele an. Er schreibt von Pfingstkönig, Maikönig, Pfingstlümmel, Blattmännchen, Blattkönig genannt. Man findet also „Ausleger“ des pfälzischen Pfingstquack in ganz Europa. Einige Beispiele:
In Fricktal in der Schweiz gehen die Knaben zu Pfingsten in den Wald und hüllen einen von ihren Gefährten in belaubte Zweige. Er wird der Pfingstlümmel genannt und zu Pferde, mit einem grünen Zweig in der Hand, ins Dorf zurückgeführt. Am Dorfbrunnen wird haltgemacht, und der blättergeschmückte „Lümmel“ wird vom Pferde geholt und in den Trog getaucht. Damit erwirbt er das Recht jedermann mit Wasser zu bespritzen, und er übt dieses Recht besonders an Mädchen und Strassenjungen aus. Die Jungen und Mädchen marschieren in Trupps vor ihm her und bitten ihn, er möchte ihnen eine Pfingstdusche geben“.
Man könnte diesen Vorgang auch als „Pfingsttaufe“ bezeichnen.
In Ruhla (Thüringen) versammeln sich, sobald die Bäume im Frühling grün werden, des Sonntags die Kinder und gehen in die Wälder hinaus, wo sie einen ihrer Gespielen dazu bestimmen, das „Blattmännchen“ zu sein. Sie brechen Zweige von Bäumen und winden sie um das Kind, bis nur noch seine Schuhe aus dem Blättermantel hervorlugen. Es werden Löcher hineingemacht zum Durchsehen, und zwei der Kinder führen das Blättermännchen, damit es nicht stolpert oder fällt. Singend und tanzend führen sie es von Haus zu Haus und bitten um Gaben in Gestalt von Eiern, Sahne, Wurst und Kuchen. Endlich besprengen sie den Blättermann mit Wasser und tun sich gütlich an dem, was sie eingeheimst haben.
Was an solchen „Bettelgängen“ immer wieder auffällt ist das Sammeln von Eiern. Diese waren früher als auch heute in jedem Haushalt vorhanden sie sind aber auch Teil eines Fruchtbarkeitsrituals. Das Ei ist ein Symbol der Erneuerung des Lebens und es ist in dieser Bedeutung in den ältesten Kulturen bezeugt.
Weiter berichtet Frazer: „Im Fricktal in der Schweiz, wird ein ähnliches Flechtwerk aus Zweigen der „Pfingstkorb“ genannt. Sobald die Bäume zu knospen beginnen, wird eine Stelle im Wald ausgewählt, und hier machen die Dorfburschen in alller Heimlichkeit den „Korb“, damit nicht andere ihnen zuvorkommen. Belaubte Zweige werden um zwei Reifen gewunden, deren einer auf der Schulter desjenigen, der den Korb tragen soll, ruht,während der andere um seine Waden gelegt ist. Man macht Löcher für Augen und Mund, und ein großer Blumenstrauss krönt das ganze. In dieser Vermummung erscheint er plötzlich im Dorfe zur Vesperzeit. Vor ihm marschieren drei Knaben, die auf Hörnern aus Weidenrinde blasen. Das große Ziel seiner Anhänger ist, den Pfingstkorb auf dem Dorfbrunnen aufzustellen und ihn sowie seinen Träger dort zu halten, trotz der Anstrengungen der Burschen aus den Nachbardörfern, die versuchen den Pfingstkorb fortzutragen und auf ihren eigenen Brunnnen aufzustellen.“
Frazer schreibt hierzu: „Häufig ist das in Blättern gehüllllte Geschöpf unter dem Namen König oder Königin bekannt....Dieser Titel bedeutet wie Mannhardt bemerkt, dass der in der Vegetation verkörperte Geist ein Herrrscher ist, desen schöpferische Kraft weit verbreitet ist.“
Natürlich wurden jegliche Art von heidnischen Festen von der Kirche aufs häufigste verdammt. So schrieb im Jahre 1698 Pfarrrer Geysel aus dem Holzland: „Abgesehen von anderen haarsträubenden Gattungen und Arten von Aberglauben, über die ich schweigen will, wird die Feier der vier Samstage nach Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Johannistag festgehalten. Man hält dafür, durch einen solchen Aberglauben Hagelschäden von sich abzuwenden und solches ist ein sehr hartnäckiger Irrtum gewesen. Ich bin mit Gottes Hilfe diesem beizeiten entgegengetreten, sobald ich davon Kenntnis erhielt und habe solche Gebräuche ausgerottet“.
Letztlich konnte die Kirche die althergebrachten Bräuche nicht rigoros beseitigen, so dass sie sich schließlich genötigt sah, die heidnischen Riten zumindest teilweise in ihr Brauchtum zu integrieren.


©hukwa




Lit.Hinweise: Ernst Christmann: Pfälzer Frühlingsbräuche.
J.G.Frazer: Der Goldene Zweig.
Wilhelm Mannhardt: Mythologische Forschungen.
Wilhelm Mannhardt: Feld und Waldkulte.
Jacques Brosse: Mythologie der Bäume.
Hans Wagner: Der pfälzische Pfingstquack und seine Wurzeln im Hain der Diana von Nemi.
Heinz Friedel: Chronik von Schopp.
Otto Wenz: Zur Volkskunde des Pfälzer Holzlandes.