Der
Holler
Seit
altersher ist der Holunder, vor allem der Schwarze Holunder, den man
auch Holler nennt, ein treuer Begleiter des Menschen, der sich im
Dorfe an alten Mauern, in Scheuenenwinkeln, in Gärten und überhaupt
in der Nähe des Menschen wohlfühlt.
Volkssagen
und Märchen ranken sich um seinen Namen. Bei den Altvorderen war der
Holunder der „Baum der Holla“, er war also der Frau Holle
geweiht. Seine große Berühmtheit kann man schon daran erkennen, das
sich sein Name im Laufe von weit über Tausend Jahren kaum verändert
hat, den der Name Holunder geht auf die altdeutsche Form „holun –
tar“ zurück, wobei tar auf Baum zurückgeht und holun, der Genetiv
von Hollla ist. Viele Niederschriften berichten darüber, dass der
Holunder bei den alten Germanen in hohem Ansehen stand, zumal in dem
Baum der gute Geist des Hofes und Gehöftes, die Hollermutter, Frau
Ellhorn genannt wohne, weswegen der Baum das Haus vor Feuergefahr und
die Haustiere vor Krankheit schützen würde.
In
den Alpenregionen war der Holunderbaum wegen seiner vielen
Verwendungsmöglichkeiten vor allem in der Volksmedizin unter
ständigen Schutz gestellt worden. So drohte man in alten Zeiten in
der Schweiz jedem mit der Todesstrafe, der es wagte einen
Holunderbaum zu Brennzwecken abzuschneiden.
Vor
ungefähr 700 Jahren behauptete Albertus Magnus, dass die
Holunderrinde aufwärts geschabt Erbrechen erzeugen würde, jedoch
abwärts geschabt Abführen hervorrufen würde. Im Kräuterbuch des
Adamus Lonicerus, dem Artzney – Doctorn und Ordinarius Primarius
Physicus zu Frankfurt, gegeben im Jahre des Heyls 1582 lesen wir:
„Die
grünen Blätter gestoßen und auf grindige Haut gelegt, heilen sehr.
Die Blätter in Wein gesotten und getrunken, benimmt alle
überflüssige Feuchtigkeit und treibt die Wassersucht aus. Die
Rinden in Wasser gesotten, wenn sie noch grün sind, das getrunken,
ruft Erbrechen hervor. Die Blätter oder Frucht von Holder in
Salzwasser gesotten, benehmen den damit gewaschenen Füßen die
Geschwüre. Gegen Schlangen- oder Natternbiß sind darüber gelegte
Blätter des Holders gut. Das Holderblütenwasser ist gut gegen das
Zittern der Hände, welche Morgens und Abends damit bestrichen werden
sollen und die man selber trocken werden lassen soll, ist auch gut zu
alten und kalten Schäden, welche mit Holderblütenwasser gewaschen
und Tücher darüber gelegt, diese heilet...“
Noch
vor fünfzig Jahren sangen die Kinder im Westrich einen Reim auf den
Holunder:
Ringele,
ringele, reihe -
sind
der Kinder dreie,
sitzen
unterm Hollerbusch,
schreien
alle husch, husch, husch!
In
der Pfälzischen Volkskunde von Albert Becker lesen wir.
„Besondere
antidämonische Kräfte besitzt im Volksglauben auch der Holunder
(Holler). Sollen die Holunderblüten als Arznei wirksam sein, so
müssen sie am Johannistag mittags 12 Uhr gepflückt werden
(Potzberg). Auch der Holunder wehrt der Pest; in den Boden gesteckt
vertreibt er Mäuse und Maulwürfe.“
Der
Würzwisch
Eine
besondere Pflanzenverehrung in der Pfalz, galt von jeher die
Kräuterweihe des „Pfälzer Würzwisch“, die noch bis in jüngste
Zeit besonders in katholischen Gegenden ausgeübt wurde. Beim
Würzwisch verschiedentlich auch Würzbüschel genannt, handelt es
sich um ein Kräuterbündel das je nach Region zwischen 7 und bis zu
77 unterschiedliche Kräuter enthalten kann. Bereits aus
vorchristlicher Zeit liegen uns Überlieferungen vor die von diesem
heidnischen Kult berichten. Im Jahre 745 n. Chr. Wurde der Brauch
verboten dann aber christianisiert weil er einfach unausrottbar für
die Kirchenväter war. Man begann damals die Heilwirkung des
Würzwisch vor allem auf Maria zurückzuführen. Im Sachsenspiegel
aus dem 13. Jh. lesen wir:
„Dat
is to Krudemisse unser liben Frawn as sei to Himmel voer – was wir
etwa so übersetzen können: Am Tag, als Maria zum Himmel fuhr, wird
die Kräutermessse gehalten“.
Also
zu Mariä Himmelfahrt (15. August).
Peter
Weisrock beschreibt das Brauchtum um den Würwisch in der
allgemeinen Zeitung Mainz wie folgt:
„Wenn
in früheren Jahren an Mariä Himmelfahrt der Würzwisch geweiht
wurde, dann konnte man in den tagen vorher etliche Kindergruppen beim
Pflücken großer Feldsträuße in der Gemarkung beobachten. Meist
war ein Erwachsener oder ein Jugendlicher dabei, die sich mit der
Auswahl der Pflanzen auskannten. Die Kräutersträuße wurden im
sonntäglichem Hochamt feierlich gesegnet und zu Hause auf dem
Dachboden oder in der Scheune aufgehängt.
Der
Brauch der Kräutersegnung war in den katholischen Regionen weit
verbreitet und geht bis in das 10. Jahrhundert zurück. Es waren
ausschließlich Heilkräuter, die gesammelt und getrocknet wurden, um
als Hausapotheke zu dienen. Ursprünglich waren es vierzehn
Kräuterarten, die von der Zahl der vierzehn Nothelfer herrührten.
Mit der sich immer weiterentwickelten Kenntnis über die Heilkräfte
von Pflanzen, wurde die Art und Zahl des Kräuterstraußes immer
vielfältiger. So gab es früher auch in unserer Gemarkung eine
erstaunlich große Zahl echter Heilkräuter, von denen die meisten
erst im August zum Blühen kamen. Mit dem Aufkommen pharmazeutischer
Heilmittel nahm die Bedeutung der Heilkräuter immer mehr ab, jedoch
blieb der Brauch des Würzwisch Sammelns lange erhalten. In unserer
bis Mitte der 1960er Jahre weitgehend bäuerlich geprägten Welt
diente der geweihte Strauß nicht nur zur gesundheitlichen Hilfe. In
Dachböden und Scheunen aufgehängt kam ihm eine besondere
Schutzwirkung gegen Blitz- und Hagelschlag zu, also gefahren, die
Haus und Ernte vernichten konnten. Heute sind es meist die
Landfrauenvereine , die diese alte Tradition noch pflegen.“
Das
Brauchtum um den Würzwisch ist von Region zu Region oft recht
unterschiedlich. Interessant ist natürlich auch was Albert Becker
dazu schreibt. In seiner Pfälzischen Volkskunde lesen wir:
„Mitte
August, am Tag Mariä Himmelfahrt, der als Geburtstag Napoleons I. In
der Pfalz selbst dann noch gefeiert wurde, als die Revolution alle
Heiligen tage weggefegt hatte, findet in katholischen Ortschaften die
Kräuterweihe statt. Wie am Palmsonntag die „Palm“ eingesegnet
wurde, wird jetzt der Würzwisch (mund. Werzwisch) geweiht. Neben
Feldfrüchten (Hafer, Hanf, Nüsse, Weizenähren, Zwiebeln) sind im
Würzwisch allerhand alte Heilkräuter nachweisbar: Johanniskraut,
Muttergottes Bettstroh, Dausendgillekraut, Abnemmekraut, Frauenflachs
oder Hasemailcher, Odermännelcher, die als Tee gegen Hämorhoiden
gebräuchlich sind, Fleeschknepp, Blutkneppcher oder Blutstrepple,
Wurmmehl oder Rainfarn; die weiße Himberknepp werden als Tee gegen
Husten getrunken... „
Was
an diesem Bericht interessant ist, das ist die Tatsache das man immer
wieder Wege fand das alte Brauchtum aufleben zu lassen. Wurde das
heidnische verboten wurde es von der Bevölkerung christianisiert,
verbot man das katholische Brauchtum lebte es wie bei Mariä
Himmelfahrt im Geburtstag Napoleons I . weiter.
Das
in der Pfalz ein recht großes Wissen über Pflanzenbrauchtum und
Volksheilkunde überliefert ist hängt ohne Zweifel auch mit drei
großen Gelehrten des Mittelalters zusammen die hier wirkten:
Hildegard von Bingen, Hieronymus Bock und Tabernaemontanus. Der
Strom klösterlicher Heilkräuterkunde hat sich im Laufe der
Jahrhunderte mit mit heidnischen Überlieferungen vermischt und so
entstanden die oft seltsam an zumutende Kräuterbräuche. Dazu kam
das durch die Erfindung der Buchdruckerkunst Geistesgut praktisch
jedermann der Lesen konnte zugänglich wurde. Zu den meist gedruckten
und bestverkauften Verlagsobjekten gehörten die Kräuterbücher. So
auch das bedeutendste Kräuterbuch des 16. Jahrhunderts, das „New
Kreuterbuch“ von Leonhart Fuchs“ (1501 – 1566).
hukwa