Mittwoch, 14. September 2011

Aus der Geschichte der Köhlerzunft

In der traditionsreichen Geschichte der Köhlerei finden sich zahlreiche Quellen und Hinweise darauf, dass auch Klöster Holzkohle produziert haben. Mit diesem Hintergrund kann man wohl davon ausgehen, dass es auch einen Schutzheiligen der Köhler gegeben hat und gibt. Sein Name: Sankt Alexander Carbonarius – Patron der Köhler. Er war Bischof von Comana in Pontus, in der Türkei. Der Hl. Alexander ist als Kohlenbrenner (Carbonarius) bekannt. Sein Name deutet darauf hin, dass er aus Bescheidenheit die Arbeit eines Köhlers verrichtete um den weltlichen Lockungen zu entfliehen. Von ihm sind die Worte überliefert: „Ich bin jung und nicht übel gebildet, diese Vorzüge könnten mir zum Fallstricke gereichen. Ich sehe den Kohlenstaub als eine Lava an, die mich dem Anblick der Welt entzieht.“ St. Alexander zog das einfache Leben in den Wäldern, den sinnlichen Genüssen dieser Welt vor. Er wird gerne als Philosoph bezeichnet, doch mit dieser Bezeichnung sollte man nicht so oberflächlich umgehen, denn seine Philosophie bestand vorwiegend aus der Bevorzugung himmlischer vor irdischen Dingen. Sein bescheidenes, einsames und meditatives Köhlerleben und seine persönliche Mystik führte dazu, dass der Hl. Gregor Thaumaturgos Alexander zum Bischof von Comana machte. Der Hl. Gregor sollte dabei helfen, einen Bischof für Comana zu finden. Eine große Versammlung mit vielen Kandidaten hatte sich eingefunden doch keiner der vorgeschlagenen gefiel ihm. Er ermahnte die Versammlung sich doch einmal unter den Leuten des einfachen Standes umzusehen. Daraufhin schlug jemand scherzhafterweise Alexander den Köhler vor. Dies löste bei den Versammelten ein abwertendes Gelächter aus, doch der Hl. Gregor nahm diesen Vorschlag sehr ernst und Alexander bekam den Bischofstab. Er regierte die Kirche von Comana mit Klugheit und Weisheit. Nachdem er viele Jahre seiner Herde durch sein segensreiches Wirken vorgestanden hatte, ward ihm die Gnade zuteil, für seinen Glauben sein Leben dem Feuertode hinzugeben. Sein Tod wird in die Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Decius um 250 nach Christus datiert. Er wurde bei lebendigem Leibe verbrannt. Auf kirchlichen Gemälden wird der Hl. Alexander im bischöflichen Ornate zusammen mit den Zeichen des Kohlenbrenners auf dem Evangelienbuch abgebildet. In seiner Hand liegen fünf schwarze Holzkohlen. Sein Gedenktag ist der 11. August.

Wer sich mit Heimatkunde beschäftigt und ein wenig „Feldarbeit“ betreibt, wird immer wieder in alten und neuen Quellen interessantes über die Köhlerzunft finden. Die besten Quellen allerdings sind jene, die man in der eigenen Umgebung noch aufstöbern kann. Aufs engste verwachsen mit der Eisenindustrie, besonders auch mit der weitverbreiteten und hochangesehenen Kunst der Schmiede, war das Köhlergewerbe. Trippstadt kann auf eine „eisenhaltige“ Vergangenheit zurückblicken. Wer hier wandert, findet allenthalben von Waldschlag zu Waldschlag die Spuren der traditionsreichen „schwarzen Kunst“. Noch heute kann man diese alten kreisrunden Meilerstätten unter Humus und Laub entdecken. Im Pfälzerwald waren viele Köhler von Hüttenwerksbesitzern angestellt aber es gab auch „freischaffende“ Köhler. Wie jedes andere Handwerk, war auch das der Köhler Zunftgesetzen unterworfen.

Im Harz beschäftigte ein Köhlermeister eine Anzahl von Knechten und Lehrburschen. Dort gab es Meisterköhler und Licht- oder Grubenköhler. Erstere schichteten die Scheite, Stöcke oder Knüppel zu abgestumpften Kegeln, nach uralt erprobten Kunstregeln. Sie belegten diese mit Rasenstücken und begannen dann mit dem „köhlern“. Die Lichtköhler verarbeiteten die Afterschläge, die Holzabfälle, Reisig, faule Strünke und erzielten dadurch nur minderwertige Kohle. Bei den sogenannten „herrschaftlichen Köhlern“, die vom Adel und den Hüttenwerksbesitzern beschäftigt wurden, war es üblich den „Köhlereid“ abzulegen:

„Köhler Eyett

  1. Sollet ihr vor mutwilligen Brandschaden gut sagen.
  2. Sollet ihr das Malter Holz vor euch selbsten und durch eure Hauer ins rechte Maß und Malter stecken, legen und darinnen keinen Vorteil suchen.
  3. Die groben, unartigen Baum rein aufhauen und da solches nicht die Länge zu spalten fein will, so soll solches die halbe Länge zerspalten werden, damit dieselben Glötzer nicht der Herrschaft und den Gewerken zum Schaden im Holze liegen bleiben.
  4. Sollet ihr keine Baum zu den Decken steigen daran das junge Holz verdirbt und Schaden empfähet, sondern die Deck von den Bäumen aushauen, so zu Malter-Holz gezeichnet werden, und was daselbsten nicht erlanget werden kann, sollet ihr mit Laub oder Rasen decken.
  5. Sollet ihr auch keine kleinen Meiler, sondern Meiler, so zu 15 oder 20 Karren Kohlen geben, setzen, damit ihr desto weniger Ursach (habt) mit der Decke der Herrschafft Schaden zu thun.
  6. Sollet ihr auch keine Baum oder Stamm ungezeichnet hauen, die gezeichneten Baum auch nach Vorteil fällen oder fallen lassen, damit das junge Holz nicht niedergeschlagen und verderbt werde, auch die Bäum nie Beächt (?) abhauen und nicht Hege-Stock nehmen.
  7. Sollet ihr keine Buchen keilen oder keilen lassen, sondern die Keile jederzeit von Stocken abspalten.
  8. Sollt ihr auch die währende Zeit über, so ihr auf der Herrschaft Holz kohlen werdet, getreu, gehorsamlich und unwidersetzig, was euch vom Forstamt auferlegt wird, verhalten, da ihr auch in Wäldern Verdächtige Wildschützen vernehmen würdet, solches bei Tag und Nacht dem Forstknecht dieses Orts berichten, und darauf ferneres Bescheids zu gewarten.
  9. Da ihr auch in diesen vorgelesenen Punkten brüchig befunden, sollet ihr nach Gelegenheit desselben Schadens entweder mit Gelde oder am Leibe gestraft werden.
    Folget der Eid: Alle diese Punkte haben wir notdürftig gehöret und verstanden, wollen auch solche stät und fest halten, so wahr uns Gott helfe durch Jesum Christum, unseren Herrn. Amen."

In den großen Wäldern um Trippstadt rauchten Meiler, die ausschließlich für die Trippstadter Hüttenwerke ihre Ernte einbrachten.

Das Köhlerleben war ein hartes und entbehrungsreiches Dasein. Wind und Wetter ausgesetzt, täglich karge Kost und vor allem ständiger Schlafentzug zehrten an Körper und Psyche der „schwarzen Männer“. Die „Köhlerliesel“ gehört ins Reich des Kunstmärchens und auch feine Köhlergerichte, wie sie heute vielerorts angeboten werden, sind der Phantasie der Gastronomie entsprungen. Abwechslung in der Kost gab es wenig. Hartes Brot, Käse, Speck und manchmal ein Schluck Wein oder Bier. Branntwein oder Schnaps gab es am Kohlenmeiler nicht. Das sogenannte „Köhlerwasser“ ist eine Erfindung der Neuzeit, zu groß war die Gefahr des Einschlafens. Übermannte den Köhler aber doch einmal der Schlaf, dann gab es gleich ein Erwachen mit Schrecken. Statt der grau oder blau sich kräuselnden Rauchwölkchen entstieg glutroter Dampf der Haube und den seitlichen Luftlöchern.

Wenn ein Meiler Feuer fing trat das eigenartigste Gerät der Köhler in Kraft, die Hillebille: Ein buchenes Brett schwankte an zwei Riemen die an einer Stange befestigt waren, diese Stange lag auf den gabelförmigen Enden zweier in den Boden eingerammter Pfähle. Mit aller Kraft schlug der Köhler einen hainbuchenen Hammer in einem bestimmten Rhythmus gegen das Brett, sodass es weithin schallte. Bald ertönte auf gleiche Weise Antwort von der nächsten Köhlerstätte und in kürzester Zeit war der gefährdete Meiler von schwarzen Gestalten umringt, die den Brand zu löschen begannen. Die Hillebille diente in erster Linie zur Kommunikation über weite Strecken, wurde aber auch als Rhythmus Instrument eingesetzt. Sie rief aber auch zum Mittagstisch und zeigte durch den „Jägerruf“ dem Waidmann an, wenn Wild nahte. Sogar bei drohenden und feindlichen Überfällen wurde das seltsame Instrument in Anspruch genommen, da die Köhler verpflichtet waren beim Nahen verdächtiger Gestalten ein Warnsignal erschallen zu lassen. Der Klang dieses „Werkzeuginstrumentes“ soll zur Verständigung bis zu einer Entfernung von 3 Kilometern ausgereicht haben.

Im „Wartburg-Herold“ von 1896 sind auf Anregung von Prof. A. Kirchhoff in Halle verschiedene Mitteilungen und Nachweise über Etymologie, Alter und Vorkommen der Hillebille gemacht worden, in diesen machte auch ein russischer Geistlicher aus Weimar darauf aufmerksam, dass in der orientalischen Kirche vor Einführung der Glocken ganz ähnliche hölzerne Tafeln genutzt wurden. Manche Forscher wollen in dem englischen Wort „hill“ (Berg) und bell (Glocke), den Ursprung des Hillebille sehen.

Quellenhinweise:
Museumskurier des Museumsvereins Zella-Mehlis e.V., Heft 9
Wartburgherold Ausgabe 1896
Marie Luise Gerbing
Aus: Thüringen in Wort und Bild, 1910

hukwa