Wenn ich an Frühherbsttagen wie Heute mich zu einer Wanderung aufmache, verweile ich unterwegs stets bei einem alten freund am Wegrand, dem schwarzen Holunder. Schon als Kind wurde ich von ihm magisch angezogen und meine Beziehung zu ihm ist ähnlich wie die Beziehung die ich zum Fliegenpilz habe, seit Kindheitstagen leben wir in einer Art von geistiger Symbiose. Viele Hollersträucher wachsen an meinen Wanderwegen. Besonders intensiv ist die Verknüpfung die ich zu alten Holunderbäumen pflege, seine mystische Ausstrahlung erweckte schon immer mein Interesse und ich spüre das da eine tiefe Verwandtschaft existiert. Jetzt im September da der Strauch seine schwarzen Früchte trägt, nun wo sein grünes Kleid sich gelblich färbt, suche ich ihn täglich auf. Es sind besondere
"Holunderpersönlichkeiten" bei denen ich täglich für einige Zeit verweile. Wilde Gesellen, die dem der die Sprache der Bäume versteht viel zu erzählen haben. Wo ein alter Holunder wächst, ist auch seine Familie nicht weit. Der Baum ist sehr familiär und sammelt seine Kinder, Enkel und Urenkel gerne um sich herum. Biologisch beruht es wohl darauf das er ein Flachwurzler ist und daher immer eine flächige Entwicklung hat. Dort wo er vorkommt ist er sehr bald von seiner Nachkommenschaft umringt, die zunächst klein und unmerklich zum Austrieb kommen. Dies sorgt dafür das diesem alten Menschenfreund, der ja menschliche Ansiedlungen bevorzugt, oft der Garaus gemacht wird, weg mit dem Unkraut, die Philosophie des "Allzumenschlichen" tritt hier zu Tage. Ich finde ihn oft als kräftigen Einzelbaum, wo er aus einem Wurzelstock in die Welt des lichtes emporragt. Ist mir die Eiche der "Magier", der Weißdorn, die "Mystikerin" unter unseren einheimischen Bäumen, so ist mir der Holler, die
"Philosophin" im Reiche der Bäume und Sträucher. Ist seine Rinde, wenn er ein gewisses Alter erreicht hat, nicht genau so grau, rau und vernarbt, wie das Kleid der alten Dame Philosophie? Und steckt in ihm nicht genau so wie in ihr, die ewige Jugend? Wohl wuchs er schon neben dem Kerker in dem man den alten Boethius gefangen hielt? Wenn ich eine Rast unter seinen Ästen mache, werden meine Gedanken sofort philosophisch, verharre ich bei einem Weisdorn, reise ich mit meinen Gedanken ins Reich der Mystik und der Mythologie. Die Eiche führt mich oft mit dem uralten Mythos von Merlin – Talisien zusammen, besonders wenn ich mich in Vollmondnächten in abgelegenen Wäldern aufhalte. So ist mir jede Baumart Ausdruck und Gleichnis. Vor allem aber ist mir der Baum immer Freund und Bruder gewesen, dem ich alles mitteilen konnte. Schon als Knabe trug ich meine geheimsten Gedanken und Sehnsüchte zu meinen Freunden denn Bäumen. Zweifelsohne ist der Baum ein Stück Existenzerhellung in einer düsteren Weltenzeit. Versteht man seine Sprache ist jeder Baum so tiefgründig wie ein philosophisches Werk.
hukwa