Wandern ist Erlebnis.
Therapie auch. Die Verbindung Wandern und Therapie kann ich nur
erfahren und erleben, wenn ich selbst wandere, weil ich mich dann
selbst erfahre und bemerke das Wandern eine innere und äußere
Angelegenheit ist.
Als Wanderführer ist es
meine Aufgabe Menschen durch den Wald zu führen und dabei mit den
Leuten Gespräche zu führen. Es liegt in der Natur der Sache dass
Menschen während einer Wanderung durch die Natur tiefere Gespräche
führen als wenn man sich gerade einmal auf der Strasse oder im
Kaffee trifft.
Die Natur ist nicht nur
die größte Lehrmeisterin sondern auch die beste Therapeutin. Ich
persönlich begebe mich einmal am Tag in eine Therapiestunde, nämlich
dann wenn ich mich zu einer Wanderung aufmache. Meditatives Wandern
ist mehr als nur laufen, es ist eine kleine Lebenseinstellung.
Therapie wie ich sie verstehe hat vor allen Dingen etwas mit Wachstum
zu tun, einem inneren ganzheitlichen Wachstum.
Im Wald, in der freien
Natur fällt vieles von uns ab was uns ansonsten im täglichen Leben
belastet. Ich finde sehr viel schneller zu mir selbst, zu meinem
„inneren Kern“, jenen Teil von mir den man in der Philosophie
„Selbst“ nennt also zu dem Wesen das ich in Wirklichkeit bin.
Es gibt Menschen die
versuchen jemand anderes zu sein, warum auch immer, als sie selbst es
sind. Solche Menschen haben das gleiche Problem wie jene die meinen
dass die schönste Zeit die sie in ihrem Leben verbracht haben
irgendwo in ihrer Vergangenheit liegt. Das ist ein Trugschluss!
Manche glauben das ihr Bestes in der Zukunft liegt und sind fest
davon überzeugt das irgendwann einmal das Happy – End an ihre Tür
anklopft. Wer so lebt der rennt einer Illusion nach. Die Natur lehrt
uns das wir unser Leben im Hier und Jetzt gestalten müssen.
Wir haben das Leben
uniformiert und es seiner ursprünglichen Vielheit beraubt. Uns
interessiert nicht mehr das Ganze sondern nur ein Teilausschnitt. Wir
ahnen eine Innenwelt, doch wir flüchten in die Außenwelt. Anstatt
die „Welten“ zu verbinden, nämlich die Immanenz des
Transzendenten im diesseitigen Leben zu erkennen und die tiefere
Wesenheit von uns selbst im Alltag zu finden.
Der große Vorteil beim
meditativen Wandern ist die relativ schnelle Erfahrung das ich mich
während des Wanderns ganz im Hier und Jetzt aufhalte. Das ich dass
Gefühl in mir spüre ganz bei mir selbst zu sein.
Für mich bedeutet Wandern
nicht Energie abzugeben sondern das Gegenteil ist der Fall: Ich lade
Energie auf.
Bei jeder Wanderung erlebe
ich Neues, mit jedem Schritt denn ich im Wald tätige, entgehe ich
der inneren Versteinerung und Lethargie. Dies ist jedes mal der
Gedanke in mir wenn ich mich zu einer Wanderung aufmache.
Das was uns im Wald, wenn
wir tiefer in ihn eingedrungen sind als erstes fasziniert, manchmal
auch ängstlich macht ist die Stille. In den Wäldern spüren wir
plötzlich eine bisher unbekannte Freiheit, die es uns erlaubt, mit
dem wesentlichen des Lebens in Kontakt zu treten. Es ist die Stille
des Waldes, die uns eine bisher nicht gekannte, schweigende
Aufmerksamkeit schenkt. Fern dem unbarmherzig ewig geräuschvoll
laufenden Motor der Großstadt finden wir im Wald nun eine ganz
andere psychologische Dimension der inneren Einkehr und Ruhe vor. In
einer Zeit der entfesselten Mächte, der ökonomischen Unsicherheiten
und ökologischen Katastrophen wird uns der Wald zu einer Insel der
Erholung, zu einem Ort der Therapie und des inneren Wachstums.
hukwa