Sonntag, 3. Oktober 2010

Fensterblick oder Gespräch mit der Erdmutter

Es ist kurz nach 5.Uhr morgen. Während ich meinen Kaffee zubereite schaue ich aus dem Fenster. Im Westen steht noch der Mond. Das Dorf schläft noch. Stille. O herzbeglückende Stille! Ich erkenne die Dächer und Giebel verschiedener Häuser. Verschwommen, von der Dunkelheit noch gefangen, die Umrisse der mächtigen Blutbuche vor der katholischen Kirche. Eine riesige, starke, kraftstrotzende Buche. Ihr dicker Stamm zielt kerzengerade in die Höhe. Und diese mächtige Krone! Gefüllt mit Abertausender roter Blätter. Im Vergleich mit der Kirche wirkt diese wie eine Zwergin, der Baum wie ein Riese, es scheint als habe die Schöpferin diesen Baum persönlich gepflanzt. Als möchte die große Göttin ausdrücken "schaut dies ist mein Haus das ich für euch gepflanzt habe". Wie kleinlich erscheint neben diesem mächtigen Baum das alte Gemäuer der Kirche. Während ich aus dem Fenster blicke und den Baum beobachte ist es als würde dieser zu mir sprechen: Hört die Zeit ist nah, da der Mensch, mit seinem ganzen Sein und besonders dem emotionalen Teil, jener Identität zwischen seinem subjektiven Selbst und der objektiven Natur fühlt. War dies nicht dass was Schelling und Fichte so eindringlich empfohlen haben? Wir sollten täglich einige Zeit mit der Natur in verbindende Unterhaltung treten.
Wenn ich jetzt da der Morgen heraufdämmert nach Westen blicke, sehe ich einen bewaldeten Bergrücken. Davor ein tiefes Waldtal. Feuchter, weißer Nebel steigt aus dem Tal empor und schenkt der Landschaft einen bizarren Ausdruck. Bald taucht der erste Schwarm schwarzer Krähen, geheimnißvoll aus den Nebeln auf. Ich ziehe tief die Morgenfrische in mich hinein, stimme ein in das Gespräch der Krähen, spanne meinen Körper und fühle die innere, nie verloren gegangene Beziehung zur Erde in mir. Zu Licht, zu Luft, zu Bäumen, Pflanzen, Käfern und Würmern, zur alten Erdmutter selbst. Ich höre ihre Lieder und die ganze Landschaft ist ihr Gemälde. Ich fühle mich den Waldnebeln näher verwandt als den Menschen, fühle ganz die alte Erdmutter in mir.
hukwa